Bauen für die Zukunft: mobil, flexibel, autofrei
Dokumentation eines Seminars am 19. November 1997 im Bauzentrum München.
Autofreies Wohnen ist machbar. Dies zeigen konkrete, in Realisierung befindliche Projekte, über die von Experten bei einer Tagung im Herbst 1997 in München berichtet wurde. Die als Dokumentation vorliegenden Beiträge der Fachleute aus Planung, Wohnungswirtschaft, Verwaltung und Recht zeigen: entscheidend sind die gründliche Analyse der Bewohnerwünsche, Sorgfalt bei der Standortwahl und ein Marketingkonzept, das den hohen Wohnwert und die städtebauliche Qualität bei gleichzeitiger Kostenersparnis herausstellt. Die Beiträge machen aber auch den Reformbedarf im Planungsrecht deutlich und enthalten praktische Tipps zu Finanzierungsmodellen, zur rechtlichen Ausgestaltung und zum Umgang mit Behörden.
Deutlich wird, dass autofreie Planung ein zukunftsfähiges und auch wirtschaftlich interessantes Segment des Wohnungsbaues ist.
Hinweis: Es gibt noch gedruckte Exemplare, diese können im Büro, manchmal bei den Infoständen mitgenommen werden, bei postalischer Bestellung freuen wir uns über eine Portospende.
Vorwort
Am 19. November 1997 fand im Bauzentrum München das Seminar "Bauen für die Zukunft mobil, flexibel, autofrei" statt. Geplant und ausgerichtet wurde diese Veranstaltung von der Initiative "Wohnen ohne Auto" und dem "Münchner Forum e.V.".
Mit dem Seminar haben wir folgende Ziele verbunden:
Wir wollten aufzeigen, dass autofreie Planung unter wirtschaftlichen, aber auch unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten ein interessantes Segment des Wohnungsbaues ist. Damit entspricht sie den Zielen der 1992 von den UNStaaten beschlossenen Agenda21.
Praktische Beispiele sollten belegen, dass auch unter den bestehenden Rahmenbedingungen autofreie Projekte entstehen können. Gleichzeitig sollte deutlich werden, wo die Rahmenbedingungen hohe Hürden darstellen und Änderungen notwendig sind.
Nicht zuletzt wollten wir mit dieser Veranstaltung die verschiedenen Akteure aus der Münchner Stadt und Verkehrsplanung Planer, Bauträger, Politiker, Verwaltung, Bewohner und private Bauherren ins Gespräch bringen, um über Realisierungschancen in München zu diskutieren.
Begrüßung durch das Münchner Forum
Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen zu unserer Tagung.
Mein Name ist Fritz Wickenhäuser, ich bin der Vorsitzende des Vereins des "Münchner Forums" und habe die ehrenvolle Aufgabe, die Tagung mit dem Thema "Bauen für die Zukunft: mobil flexibel autofrei" eröffnen zu dürfen.
Als ich, ganz unvoreingenommen, das Thema zum ersten Mal gehört habe, bin ich ein bisschen erschrocken und zwar deshalb, weil ich selber aus einer AutohändlerFamilie stamme, siebzehn Jahre in München Autohändler war, also mit Autos immer sehr viel zu tun hatte und mir von daher das Thema "Wohnen ohne Auto" leichtes Unbehagen in der Magengrube verursacht hat. Beim weiteren Befassen mit dem Thema hat sich das Unbehagen dann schnell wieder gelegt. Die Frage ist, wie definiert man "autofrei"? In dem Moment, wo man wegkommt von dem Besitzdenken und der Vorstellung, dass die Individualität und Freiheit der Mobilität nur durch den Besitz eines PKW's gewährleistet ist, gelangt man recht schnell zu der Überzeugung, dass es heutzutage individuelle Lösungen geben muss, um mit weniger AutoBenutzung ein Mehr an Lebensqualität zu erzeugen.
Das Auto war vor langer Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, eine große Innovation. Das Wohnen ohne Auto bedeutet wieder eine Innovation. Der heutige Abend soll dazu beitragen, diese Innovation näher zu definieren und mit Leben zu füllen unter dem Motto "Bauen für die Zukunft".
Individualität, Komfort und Prestige, sind Werte, die sowohl das Auto als auch das Wohnen prägen. Damit haben wir zwei Elemente in unserem Leben, die vom Wertesystem her ziemlich parallel laufen. Es liegt also sehr nahe, diese miteinander so zu verknüpfen, dass es für unsere eigenen Bedürfnisse als auch für die Lebensqualität in unserer Gesellschaft optimal ist.
Da das Thema, bzw. die zwei Worte "Auto" und "frei", bei meinem ersten Kontakt Emotionen geweckt haben, habe ich mir überlegt, wie wichtig es ist, den Einstieg ins Thema sachlich zu gestalten, um darüber diskutieren zu können. Denn nur mit sachlicher Diskussion kommen wir zu optimalen Lösungen. Wenn wir nur polare Gegensätze aufbauen, dann schimpft einer auf den anderen, und es entsteht kein Klima der Kreativität. Kreative Lösungsansätze kommen nur dann zustande, wenn das Diskussionsklima, das Raumklima und das, Wohnklima sehr innovativ sind, Innovationen ermöglichen.
Dies wären meine drei Wünsche an die heutige Veranstaltung: Sachliche Diskussion und kreative Ideen im Interesse eines innovativen Wohnkonzeptes und auch im Interesse aller Anwesenden.
Und für all dies, für eine sachliche Diskussion, für ein Podium, eine Plattform für Diskussionen, für das Wecken von Kreativität und für das Fördern innovativer Gedankengänge, hat sich das Münchner Forum immer schon gut bewährt und auch in vielen Fällen schon ausgezeichnet. So ist es also auch für uns eine Freude, Ihnen heute für dieses Thema die Plattform zu bieten.
Dr. Fritz Wickenhäuser
Begrüßung durch "Wohnen ohne Auto"
Guten Abend, meine Damen und Herren, im Namen der Initiative "Wohnen ohne Auto" begrüße ich Sie herzlich zu unserer gemeinsamen Veranstaltung "Bauen für die Zukunft: mobil flexibel autofrei" .
Die Initiative "Wohnen ohne Auto" gibt es in München seit ca. zweieinhalb Jahren. Sie besteht aus sieben Umwelt und Verkehrsverbänden sowie vielen Interessierten.
Die Tätigkeit der Initiative umfasst bisher:
- informieren und beraten von Interessierten zu autofreien Projekten insbesondere in München
- Vertretung von Wohnungsinteressierten bei der Stadt und bei Bauträgern
- sowie die Veranstaltung von Workshops
Als Erfolg werten wir das Entstehen von 14 Eigentums und 22 Genossenschaftswohnungen mit dieser Wohnidee in München-Riem.
Wir haben diesen Abend organisiert, um einem Fachpublikum den neuesten Kenntnisstand zu diesem Thema vorzustellen und haben dazu auch Referenten aus anderen Teilen Deutschlands eingeladen. Der Abend soll der Klärung von Sachfragen dienen, die die Interessenstruktur, das Marketing, die rechtlichen Voraussetzungen und die Finanzierung betreffen.
Durch unsere Arbeit stellen wir immer wieder fest, wie stark der emotionale Aspekt dieses Wohnmodells ist und wie dadurch eine sachliche Diskussion erschwert wird. Die Befürworter meistens besitzen sie kein Auto schätzen die Vorteile, weder Parkplatzsorgen noch Werkstattrechnungen zu haben. Die Gegner befürchten die Einschränkung ihrer individuellen Bedürfnisse, die ohne eigenes Auto nicht jederzeit erfüllbar wären. Befürworter und Gegner: gemeinsam schimpfen sie auf Abgase, zugeparkte Gehsteige und die Gefahren für Kinder durch zu hohen Verkehr.
Es geht nicht um die grundsätzliche Frage: Auto ja oder nein. Es geht darum, für eine Zielgruppe preisgünstigen und attraktiven Wohnraum unter ökologischen Aspekten zur Verfügung zu stellen. Diese Interessenten sind sozusagen Motor oder besser gesagt Vorreiter für ökologischen Städtebau.
Ich wünsche Ihnen einen informativen und interessanten Abend.
Ulrike Liebl
Vom Autoverzicht zu den Vorteilen autofreien Wohnens (von Andrea Dittrich)
Zum Umgang mit einem neuen Planungsansatz
Leben ohne (eigenes) Auto damit wird oft ein unfreiwilliger Verzicht verbunden, der mit Einschränkungen in der Mobilität der betroffenen Menschen einhergeht. Die Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen weisen in eine andere Richtung. Ein Leben ohne Auto bzw. ohne eigenes Auto, immerhin für etwa 28 % der Haushalte in der Bundesrepublik tägliche Realität, kann durchaus auch individuelle Vorteile haben und ist keineswegs zwangsläufig mit einer Einschränkung von Aktivitäten und Mobilität verknüpft. Wenngleich (noch) nicht bereits von dem Entwicklungstrend des "nachautomobilen Lebensstils" gesprochen werden kann, ist aus diesen Erkenntnissen heraus, trotz des ungebrochenen Trends zu mehr Autobesitz und Autonutzung, insbesondere in den Ballungsräumen auch zukünftig ein hoher Anteil autofreier Haushalte zu erwarten.
Wohnangebote, die für die in diesen Haushalten lebenden Menschen die Möglichkeit schaffen, im näheren Wohnumfeld vom eigenen Mobilitätsverhalten zu profitieren, gibt es bislang nicht. Der Ansatz "Autofreies Wohnen" gehört sicherlich zu den derzeit am häufigsten diskutierten Planungsansätzen. Kaum eine größere Stadt, in der nicht debattiert wird, in der nicht mögliche Standorte gesucht werden oder bereits konkrete Vorhaben und Projekte bestehen.
Die in Diskussionen und Fachveröffentlichungen verwendeten Begriffe und Definitionen sind vielfältig: "autofreies Wohnen", "autoarmes Wohnen", "autoreduziertes Wohnen", "autobefreites Wohnen", "stellplatzfreies Wohnen", "Wohnen ohne (eigenes) Auto", um nur einige zu nennen.
All diese Begrifflichkeiten haben eine Gemeinsamkeit: im (Wort) Mittelpunkt steht das Auto. Ein Umstand, den man im gesamten Planungs und Realisierungsprozess beobachten kann. Ob in der Fachliteratur, in Presseberichten, in Diskussionsrunden mit Bürgerinnen und Bürgern oder Abstimmungsgesprächen innerhalb der Verwaltung; zentraler Dreh und Angelpunkt ist das Auto.
Das Problematische daran ist die Richtung, in die die Diskussion gelenkt wird: Auch eine "autobefreite Wohnsiedlung" kann leicht als etwas Unvollständiges interpretiert werden, als ein Gebiet, in dem schlicht etwas fehlt. Dies wiegt um so schwerer, da das Auto in den Köpfen der meisten Menschen noch immer direkt mit Mobilität gleichgesetzt wird. Wer möchte schon irgendwo hinziehen, wo (Auto)Mobilität fehlt? Worte wie "verzichten", "gesperrt" und "begrenzt", wie sie in Projektbeschreibungen leider zuhauf auftauchen, verstärken eine derartige Interpretation noch. Kurz, ein negativer Eindruck überwiegt. Die Fixierung auf das Auto zieht sich bis in die Gestaltung der Verkaufsunterlagen. So besitzt der Werbeprospekt des Bremer Wohnungsunternehmens GEWOBA für das Projekt "Wohnen ohne eigenes Auto" in BremenHollerland ein durchgängiges Leitmotiv, das dem Betrachter schon auf der ersten Seite ins Auge springt: Ein Autoverbotsschild. Einen Hinweis, eine graphische Verdeutlichung dessen, was in dieser Siedlung für Qualitäten geschaffen werden sollen, sucht man dagegen vergeblich (vgl. Abbildung).
Es wäre sicherlich verkürzt, das Scheitern dieses Projektes auf die Gestaltung des Verkaufsprospektes zurückzuführen. Aber diese Art des Umgangs mit dem Thema ist sicher eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine erfolgreiche Realisierung autofreier Planungen; die starke Konzentration auf den Verzichts und Verbotsaspekt, auf das "ohne eigenes Auto mobil sein zu müssen", scheint wenig geeignet, Interesse am autofreien Wohnen zu wecken.
Ein neuer Umgang mit dem Thema ist also gefordert. Schaut man sich das hochwertige Angebot an, das die derzeit diskutierten Projekte und Planungen ihren künftigen Bewohnern machen, wird deutlich, dass dies nicht nur aus Gründen der Akzeptanz und des Marketings wichtig, sondern schlicht auch sachlich geboten ist. Ob das die Versorgungs und Freizeiteinrichtungen in direkter Umgebung, die gute Rad und Fußverkehrsinfrastruktur, der qualifizierte ÖV-Anschluß und das Car-Sharing sind oder aber das Plus an Grün und Spielflächen: die planerische und städtebauliche Konzeption autofreier Quartiere liefert sicherlich genügend Ansatzpunkte für ein Marketingkonzept, das auf Angebot und positive Anreize setzt.
Dass Mobilität ohne eigenes Auto erfolgreich als Marketinginstrument genutzt werden kann, zeigt das Projekt "Stadthaus Schlump" in Hamburg. "WOHN MOBIL" taufte der private Investor das Projekt, ein umgebautes Krankenhaus in der Hamburger Innenstadt, das etwa 40 Wohneinheiten umfasst. Kern des Konzeptes: Die Mieter erhalten beim Einzug eine Chipkarte mit Geheimcode und können damit direkt auf einen hauseigenen Fuhrpark, zu dem u. a. auch ein Elektrofahrzeug gehört, zugreifen. Ergänzt wird dieses Angebot durch eine Reihe von Leihfahrrädern sowie eine ÖPNV-Jahreskarte, die allen Haushalten zur Verfügung gestellt wird.
Auch wenn "WOHN MOBIL" bei dem einen oder anderen autoorientierte" Assoziationen wecken wird, so verknüpft der Name doch die zwei positiv besetzten Vokabeln "Wohnen" und "Mobilität". In den Mittelpunkt der Marketingstrategie stellt der Investier das angebotene "Mobilitätspaket", das den Mietern, so der Verkaufsprospekt, "die Möglichkeit gibt, im Großstadtverkehr gut voranzukommen". Dass durch die geringe Anzahl der realisierten Stellplätze nicht jeder Mieter über einen gesicherten Parkplatz verfügen kann, wird da zur vernachlässigbaren Nebensache.
Der Erfolg dieser Marketingstrategie kann sich sehen lassen: Die Presse, von Wohnmagazinen bis über die Zeitschrift "AutoBild", rühmten das Konzept, die Mietwohnungen waren schnell vergeben (Vgl. AutoBild 23/1996). Ein veränderter Umgang mit dem Thema weg vom Verzicht, hin zu den Vorteilen autofreien Wohnens führt uns zu einer schlichten, aber treffenden Definition dieses Planungsansatzes:
Autofreies Wohnen bezeichnet ein Wohnangebot, das sich speziell an Haushalte ohne (eigenes) Auto richtet, mit dem Ziel, für diese Vorteile zu schaffen.
Die derzeit diskutierten Projekte zeigen dabei deutlich, dass sich die rechtliche, planerische und städtebauliche Konzeption und damit auch die gewonnenen Qualitäten bzw. Vorteile je nach örtlichen Gegebenheiten und den Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich gestalten kann. Von der Errichtung einzelner innerstädtischer Bauobjekte, wie dem 'Kolumbusplatz' in München oder der Grünenstraße" in Bremen bis zum Neubau autofreier Wohnquartiere im Rahmen größerer Stadterweiterungsgebiete, wie z. B. im Wiener Projekt "Floridsdorf', reichen die derzeit diskutierten Projekte. Mit dem Vorhaben "Vauban" in Freiburg oder auch dem erwähnten "Stadthaus Schlump" in Hamburg sind darunter auch Projektansätze, die sich sowohl an autofreie als auch an autobesitzende Haushalte wenden. Beispiel Freiburg: Auf einer 38 ha großen, überwiegend für Wohnnutzung vorgesehenen städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme soll Mobilität ohne eigenes Auto gefördert werden. Bausteine des Konzeptes sind u. a. die Stärkung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes, die Einführung eines Car-Sharing-Angebotes sowie eines speziellen Parkierungskonzeptes, das die notwendigen Stell- und Parkplätze in gemeinschaftlichen Parkierungsanlagen konzentriert. Durch die damit mögliche Trennung von Wohnkosten und Kosten der Autohaltung wird den künftigen Bewohnern, die kein eigenes Auto besitzen bzw. es bei Einzug ins Gebiet abschaffen, neben der hohen Wohnqualität auch ein konkreter finanzieller Vorteil geboten.
Das verbindende Element der einzelnen, sehr unterschiedlichen Konzeptionen liegt in der Herangehensweise: Im Vordergrund der Planung stehen erstmals die Menschen, die ihr Leben ohne eigenes Auto gestalten; erstmals soll versucht werden, für diese Menschen ein Wohnangebot zu schaffen, das ihnen die Möglichkeit gibt, von ihrem Verhalten zu profitieren.
Trotz einiger hoffnungsvoller Ansätze steht die Idee autofreien Wohnens insgesamt noch am Anfang einer (möglichen) Entwicklung. Die Neuartigkeit des Ansatzes, das Abweichen von einer über Jahrzehnte eingeübten Planungspraxis, erfordert in der Umsetzung vor Ort derzeit noch politischen Mut und vor allem einiges Stehvermögen. Die Entwicklungen des Projektes Bremen "Hollerland" haben dabei den Gegenwind, der engagierten Planern, Politikern und Bürgern ins Gesicht bläst, sicherlich verstärkt.
Ob die Akzeptanz des Ansatzes weiter wächst, wird dabei auch davon abhängen, ob sich ein veränderter Umgang mit dem Ansatz "Autofreies Wohnen" durchsetzen kann. Autofreies Wohnen muss stärker als bisher aus der "Zwangsverzichtsecke" gelöst und schlicht als neue Wohnalternative gesehen werden, die den Markt bereichert und Impulse für veränderte Wohn und Lebensqualitäten gibt; eine Alternative, bei der nicht der Verzicht, sondern die Realisierung eines Gewinns im Vordergrund steht.
Wohn mobilWohnen und Mobil sein zwei Grundbedürfnisse der Menschen. Im gleichen Maß, in dem die Bedürfnisse wachsen, sind diese immer schwieriger zu erfüllen besonders in der Großstadt. Mit unserem Konzept für Wohnen und Mobilität wollen wir die vier preiswertesten und dabei umweltgerechten Verkehrsmittel für unsere Mieter fördern. Auszug aus dem Werbeprospekt "Stadthaus Schlump" |
Autofreies Wohnen in Hamburg (von Karsten Wagner)
Interessenten Finanzierung Bauträger
Vor fünf Jahren wurde in Hamburg mit dem Projekt "Autofreies Wohnen" begonnen. Die Vereinsgründung wurde initiiert von Interessierten, Robin Wood und Stattauto. Inzwischen hat sich auch eine Genossenschaft gegründet, die "Wohnwarft".
Da vor fünf Jahren die Idee "Autofreies Wohnen" neu war, musste der Verein zuerst das Nachfragepotential für diese Wohnform belegen. Geworben wurde unter anderem mit Fotos von Familien, die sich dafür interessieren. Im ersten Jahr sammelte der Verein 1000 Familien, die in Hamburg ohne Auto leben wollen, obwohl noch kein konkreter Standort bekannt war Somit waren die Voraussetzungen dafür geschaffen, das Thema ins Gespräch zu bringen. Der nächste Schritt bestand in der Durchführung einer Befragung zum gewünschten Standort. Fünf Flächen standen zur Auswahl, davon wurde Diekmoor von der Stadt bevorzugt, Saarlandstraße war der Wunschstandort von Autofreies Wohnen".
Die Entscheidung fiel aufgrund der Befragungsergebnisse zugunsten der Saarlandstraße aus (vgl, Abbildung).
Ein wichtiger Grund hierfür war die sehr gute Verkehrsanbindung: Im 600mUmkreis befinden sich Haltestellen von 17 Buslinien, zwei UBahnen und einer SBahn. Damit wurde auch die Tatsache berücksichtigt, möglichst einen Standort zu wählen, bei dem der ÖPNV bereits vorhanden ist, da für 200 Wohneinheiten keine zusätzliche Verkehrsanbindung geschaffen wird. Weiterhin entscheidend ist das Vorhandensein von Infrastruktur des täglichen Bedarfs, wie Schulen, Spielplätze etc., sowie die Einbindung in die vorhandene Struktur. Kriterien dieser Art hat das Stadtplanungsamt in Köln erarbeitet (vgl. nebenstehende Tabelle).
Kriterien | Voraussetzung |
Einzel-bewertung
|
max. Punkte
|
|
1 |
Anzahl WE |
< 200 WE
200 - 500 WE > 500 WE |
0
1 2 |
2
|
2. |
Planungsstand/ Realisierung |
vor 1995
von 95 bis 2000 ab 2000 |
0
1 0 |
1
|
3. |
Verkehrsanbindung
|
|||
Bahn, S-Bahn | nicht vorhanden
Entfernung zur Haltestelle: bis 500 m Entfernung zur Haltestelle: < 150 m |
0
2 4 |
4
|
|
Bus | nicht vorhanden
Entfernung zur Haltestelle: bis 300 m Entfernung zur Haltestelle: < 150 m |
0
1
2 |
||
4. |
Infrastruktur |
|||
tägl. Bedarf, Einkauf | > 500 m
250 - 500 m < 250 m |
0
2 4 |
4
|
|
Schulen, Post, Spielplatz, Kindergarten (mind. 2x vorhanden oder geplant) |
Entfernung bis 500 m
Entfernung > 500 m |
2
0 |
2
|
|
5. |
Einbindung in vorh. Siedlung |
ja
nein |
1
0 |
1
|
Gesamtbewertung |
SUMME
|
max. 14
|
||
Kriterien für autofreies Wohnen in Köln |
Der Standort Saarlandstraße ist eine innerstädtische Fläche, vier Kilometer vom Hamburger Stadtzentrum entfernt, an der Außenalster, auf der ursprünglich für die Stadtautobahntrasse vorgesehenen Fläche. Bei der Frage der Auswahl wurden damals aufwendige Betrachtungen angestellt, um die Flächen miteinander vergleichen zu können. Es wurde ein Bewertungsverfahren für die Qualität des ÖPNVAngebots entwickelt, bei dem die Schlüsselwerte Taktfrequenz" und "Nähe" von Straßenbahn, Bus, S und UBahn, in einen Index für die Qualität der ÖPNVAnbindung eingehen. Dieser war bei der Saarlandstraße am höchsten.
Bezüglich der beabsichtigten Bewohnerbeteiligung bei der Planung gab es am Anfang Schwierigkeiten mit den Ämtern und Behörden. Problematisch wird es immer dann, wenn Behörden es zulassen sollen, dass Gruppen in den Planungsprozess und in die finanzielle Abwicklung einbezogen werden. Vor zweieinhalb Jahren hat die Stadt Hamburg einen Prospekt zum Projekt herausgegeben. Das Problem, dass die Fläche an einer sehr belebten Straße liegt, wurde dadurch gelöst, dass ein Gewerberiegel das Wohngebiet vom Lärm abschirmt. Es entstehen auf der Fläche 222 Wohnungen und eine Gewerbezeile. Der Verein hat studentische Entwürfe bezahlt.
Die Wohngebäude sind Lförmig, mit Fahrradrampen mit 12% Neigung. Es wird Abstelleinrichtungen für die täglich gebrauchten Fahrräder geben, Behindertenrampen und die Möglichkeit, auch auf der Dachterrasse barrierefrei zum Fahrstuhl zu kommen. In den LGebäuden sind über 50% der Wohnungen über Fahrstühle mit Erdgeschossrampen barrierefrei zu erreichen. Die ungeliebte NordWestEcke im Erdgeschoss wird durch Gemeinschaftsräume genutzt.
Gebaut wird:
- geförderter Wohnungsbau durch die städtische GWG
- durch die Genossenschaft
- durch sehr viel Eigenkapital mit Mischfinanzierung
-
gefördertes und frei finanziertes Eigentum
Trotz dieser Vielfalt gibt es immer Menschen, die in keine der Kategorien passen: Sie fallen gerade aus der Förderung heraus, verdienen aber immer noch zu wenig, um Eigentum erwerben zu können oder haben nicht genug Eigenkapital.
Wer kann diese Wohnform finanzieren? Hamburg und München haben gemeinsam:
- ein hohes Mietniveau
- zur Verfügung stehende Fördermittel
- eine große Nachfrage nach Wohnungen.
Bei beiden Städten ist das Potential für Neubau vorhanden. Hier leben innerstädtisch in vielen Stadtteilen mehr als 50% der Haushalte ohne privaten PKW wobei es der ÖPNV ermöglicht, fast alles ohne Auto zu erledigen. Wenn der Standort stimmt, sollte ein autofreies Projekt grundsätzlich funktionieren.
Immer wieder stellt sich die Frage, ob man mit Investoren baut oder ob eine Eigentümergemeinschaft oder Genossenschaft das Projekt in eigener Regie umsetzen soll. Bei Investoren stellt sich das Problem, dass sie Kostenvorteile ungern weitergeben. Die Eigentümergemeinschaft Saarlandstraße hat sich vor 2 1/2 Jahren gefunden. Die Kostenersparnis gegenüber vergleichbaren Wohnungsbauobjekten mit 100 qm Wohnfläche beträgt ca. 80.000 DM, also 400.000 DM statt 480.000 DM für eine Wohneinheit. Diese Kostenersparnis ergibt ich dadurch, dass
- kein Makler eingesetzt wird, da der "Verein Autofreies Wohnen e. V." die Anrufe Interessierter, die bauen möchten, entgegennimmt und zusammenführt.
- die bei Bauträgern erforderliche Zwischenfinanzierung sich nicht als Summe im Kaufpreis bemerkbar macht, weil sie bei den Interessenten selbst liegt.
- das Risiko, das ein Bauträger normalerweise aufschlägt, entfällt bzw. bei den Interessenten liegt.
Dies macht ca. 10 15 % des gesamten Kaufpreises aus und summiert sich zu den oben genannten 80.000 DM.
Hinzu kämen die Kosten für die Errichtung von Tiefgaragenplätzen von normalerweise 30 40.000 DM. Dadurch, dass dicht am Wasser gebaut wird, gäbe es bei dieser Fläche sogar noch höhere finanzielle Aufwendungen.
Für Genossenschaften gelten ähnliche Ersparnisse, mit dem Unterschied zu Eigentümergemeinschaften, dass sie mit öffentlichen Mitteln arbeiten. In Hamburg werden die Gesamtkosten des Gebäudes genommen und eine Zielmiete definiert. Diese beträgt im Fall Saarlandstraße 11,80 DM. 20% Eigenkapital sind erforderlich, 80% staatlicher Kredit kommen hinzu (Landesförderung). Es gibt bis zur Feststellung der Gesamtkosten keinen festen Zinssatz. Dieser Zinssatz wird nach Fertigstellung in einer Höhe festgelegt, die exakt die Zielmiete erwarten lässt. Die Kostenersparnisse (Tiefgarage etc.) verbleiben in Hamburg bei der Stadt, da, egal wie teuer oder billig man baut, der Zinssatz auf die Zielmiete ausgerichtet wird.
In München gibt es diese Vorgehensweise nicht. Die Förderung scheint zwar ähnlich, wenn man die gesamten finanziellen Aufwendungen der Stadt betrachtet. Es ist aber ein grundsätzlich anderes Verfahren. So bleibt in München die Kostenersparnis bei den verschiedenen Finanzierungsanteilen, dem Eigenkapital, dem Fremdkapital und der Landesförderung, bei den Investoren. Wer autofrei baut, profitiert in vollem Umfang. Entsprechend können bestehende und neue Wohnungsbaugesellschaften Ersparnisse über die Miete weitergeben.
Die entscheidende Frage bleibt: Profitiere ich von der gemieteten Wohnung in dem autofreien Quartier, indem ich Kosten durch meinen Autoverzicht einspare?
Ich kann nur empfehlen In Eigenregie ohne Bauträger bauen, denn ein Bauträger wird nur ungern Kostenersparnisse weitergeben und sich schon gar nicht für ein autofreies Projekt stark machen. Ein Projekt, das sich für einen Bauträger rechnet, rechnet sich erst recht für die zukünftigen Bewohner und Bewohnerinnen.
Rückfragen und Diskussion
Frage aus dem Publikum:
Es ist vorhin von Carsharing gesprochen worden. Wie läuft das? Wie sind die Zugriffszeiten, wie lange muss man sich vorher binden und ein Auto bestellen? Es ist eine altbekannte Tatsache, dass die Leute mit den eigenen Sachen besser umgehen als mit fremden. Ob man da wohl ein verkehrssicheres, sauberes Auto übernimmt?
Die zweite Frage:
Es ist von Kostenvorteilen die Rede gewesen. In der Praxis ist es doch so, wenn ich von einem Bauträger eine Wohnung kaufe, bin ich nicht gezwungen, die Garage mitzukaufen.
Zwischenruf
Doch, was soll der Bauträger sonst mit der Garage machen?
Herr Bauernschmidt:
Es ist so, dass der Bauträger die rechtliche Verpflichtung durch die Bayerische Bauordnung (BayBO) hat, für jede Wohneinheit zumindest einen Stellplatz zu errichten. Der Bauträger ist nicht gezwungen, diesen Stellplatz an den einzelnen Wohnungsinhaber weiterzugeben. Wenn er den Stellplatz anderweitig loskriegen kann, kann er natürlich auch anders reagieren. Aber im Prinzip hat sich ein Bauträger daran zu halten, aufgrund der rechtlichen Verpflichtung, mit der Wohnung einen Stellplatz zu erstellen und diesen verkauft er als Paket.
Antwort aus dem Publikum:
Laut BayBO ist der Bauträger natürlich verpflichtet, seine Garage mit der Wohnung verbunden zu errichten. München hat eine Sonderstellung, man kann ablösen. Diese Sonderstellung ist als Satzung genehmigt. In anderen Kommunen ist es wesentlich schwieriger. Ich muss diesen Stellplatz nachweisen.
Herr aus dem Publikum:
Darf ich ergänzen. Wenn ein Stellplatz als "notwendiger Stellplatz" errichtet wird, nämlich als der, den man braucht, um seiner Stellplatzpflicht zu genügen, darf der Bauherr ihn an eine Drittperson vermieten. Er darf ihn aber nicht verkaufen. Das ist ein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot und unzulässig. Wenn er ablöst, also seine Stellplatzpflicht dadurch erfüllt, dass er Geld zahlt, dann ist der Stellplatz, den er hat, ein "freiwilliger Stellplatz" und mit dem kann er machen, was er will. Das ist nicht dasselbe. Der notwendige Stellplatz darf grundsätzlich nicht verkauft werden, sondern muss den Nutzern dieser baulichen Anlage zur Verfügung stehen.
Frau Zimmermann:
Frau Dittrich wollte etwas zu Carsharing sagen.
Frau Dittrich:
Bei dem Projekt, das ich Ihnen gezeigt habe, ist es ganz leicht zu beantworten, weil es sich um ein auf die Wohnanlage bezogenes Carsharing handelt. Das ist fast klassisch, denn Carsharing begann damit, dass man sich das Auto mit mehreren Familien in der Umgebung teilte.
Es gibt inzwischen in fast jeder größeren Stadt Carsharing-Organisationen und die funktionieren eigenwirtschaftlich, sind also nicht subventioniert und sie laufen auch sehr gut. In gewisser Weise gehört es zum unternehmerisches Risiko, dass Fahrzeuge verschmutzt werden, dass weiche wegkommen oder nicht pünktlich zurückgegeben werden. Die Carsharing-Organisationen sind inzwischen so professionell, dass sie das einkalkulieren. Sie haben auch nicht nur ein oder zwei Fahrzeuge, sondern z.B. in Berlin, 50 oder 100. Das ist die Größenordnung, die Carsharing-Unternehmen angenommen haben, das sind funktionierende professionelle Großunternehmen.
Es gibt auch, z.B. in Berlin, die Möglichkeit, sein privates Auto dem Carsharing zur Verfügung zu stellen, das heißt "CashCar". Und es gibt bei viele Organisationen die Möglichkeit, das Fahrzeug an einer andere Station in der Stadt abzustellen.
Herr Ferber:
Carsharing funktioniert in München seit Jahren. Die Autos sind sauber und verkehrssicher. Es gibt sogar zwei Unternehmen, nämlich STATTAUTO und StadtTeilAuto. Sie können sich dort jederzeit Informationen geben lassen.
Im Unterschied zur Autovermietung haben Sie rund um die Uhr Zugriff über die Buchungszentrale und ein Tresorsystem für die Autoschlüssel. Die Standorte sind wohnungsnaher als bei der Autovermietung.
Frage aus dem Publikum:
Ich habe noch eine Frage zum Hamburger Projekt. Mir ist nicht ganz klar geworden, was Sie außer diesen Fahrradrampen und den Abstellplätzen für die Fahrräder in Ihrem Konzept noch zusätzlich bieten, worin also der zusätzliche Vorteil besteht.
Herr Wagner:
Wir haben gar nicht so viel mehr zu bieten. Wir haben mehr Fahrradabstellplätze als anderswo. Grundsätzlich ist es ganz klassischer innerstädtischer Wohnungsbau, mit dem Unterschied eben, dass keine Autos vor dem Haus stehen. Ansonsten sind das natürlich Besonderheiten, die von der Bewohnerschaft dann gewünscht werden, mehr Fahrradabstellplätze, längere Fahrradrampen aber ein größerer Unterschied ist da eigentlich nicht.
Frau Liebl:
Die Erfahrungen, die wir hier in München mit dem Riemer Projekt gemacht haben, zeigen, dass "Wohnen ohne Auto" ein Anstoß war, um gemeinschaftlich an ein Projekt heranzugehen. Besonders für die WOGENO (WOGENO München e. G., Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen), die in München Wohnungen erstellt, ist der gemeinschaftliche Aspekt sehr wichtig und darüber hinaus möchte sie auch autoarmes Wohnen verwirklichen. Für Autofrei Wohnen GbR" als Bauträgergemeinschaft von Eigentumswohnungen ist der Aspekt des gemeinschaftlichen Wohnens nicht so stark. Jedoch hat die Idee des autofreien Wohnens diese Gruppe von 14 Familien zusammengebracht, um in Riem etwas auf die Beine zu stellen. Inwieweit dabei bauliche, gemeinschaftliche Einrichtungen entstehen, ist auch eine Kostenfrage.
Herr Bindczeck:
Ich bin eines der Mitglieder von "Autofrei Wohnen", die jetzt in Riem bauen wollen. Wir sind Eigentümer, daher möchte ich gerne wissen, inwieweit die Hamburger Eigentümergruppe mit der Akkreditierung/ Akquirierung eines Kreditinstitutes ist, das dann nachher tatsächlich die Fremdfinanzierung übernimmt?
Wir haben das Problem, eine Bank zu finden, ohne einen Bauträger oder Generalunternehmer zu nehmen, das heißt, der Kostenvorteil könnte dadurch aufgesogen werden, weil wir von der Bank gezwungen werden, einen Generalunternehmer zu nehmen.
Herr Wagner:
Diese Probleme haben wir einfach nicht. Ich kann Ihnen nicht sagen warum. Ich habe nichts gegen Bauträger oder Generalunternehmer, nur bin ich da kritisch, weil es immer eine Frage des Kostenvorteils ist. Die Frage werden Sie sich ja auch stellen. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, warum die Banken nicht auf Ihr Projekt anspringen.
Herr Bindczeck:
Wir sind schon recht konkret in der Planung. Im Mai geht es los mit dem Rohbau und wir haben schon relativ viel Geld ausgegeben.
Herr aus dem Publikum:
Wie geht das, dass die Wohnungseigentümergesellschaft das organisiert? Wie plant sie gemeinsam, wie ist die rechtliche Konstruktion, z.B. für Beteiligungen, für Wohnungsauswahl, bei der Finanzierung? Das übernimmt ja klassischerweise immer ein Bauträger oder Investor. Aber hier beteiligt sich eine Eigentümergemeinschaft von Beginn an, die normalerweise später zusammenkommt, wie funktioniert das eigentlich?
Herr Wagner:
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat bei uns mitgeplant. Seit 2 1/2 Jahren sind die Interessierten da und wir haben, das ist vielleicht noch ganz interessant, mit 40 Leuten geplant, während wir 60 Wohnungen zu vergeben hatten. Das heißt, wir hatten einen Puffer, dann ist auch die Aufteilung der Wohnungen nicht mehr so schwierig. Wir haben mit Leerwohnungen geplant, die erst jetzt belegt sind. Würden Sie mit 60 Haushalten für 60 Wohnungen. planen, das ginge nicht. Sie kriegen nicht alle Bedürfnisse unter einen Hut. Aber so gibt es noch eine gewisse Wahlfreiheit für alle. Trotzdem gab es Streit, einige sind ausgestiegen aus Frust über dieses ganze Hin und Her. Wir wurden uns schließlich einig und jetzt sind die Wohnungen alle verteilt. Aber um den Streit kommen Sie nicht herum, wenn Sie so viele Leute in der Planung haben. Es ist also wichtig, immer einen Puffer einzubauen, nicht 60 Wohnungen mit 60 Haushalten zu planen, sondern Luft drinzulassen.
Wirtschaftliche Verwertbarkeit / Nachfragepotential (von Rolf Kyrein)
Wirtschaftliche Verwertbarkeit
Trotz der allgemeinen Rezession in der ersten Hälfte der achtziger Jahre war "Das Dorf' in Kirchheim/ Heimstetten bei München ein Verkaufserfolg. Ein holländisches Stadtplanungsbüro brachte bei dieser Planung Erfahrungen im verkehrsberuhigten Wohnen mit Wohnstraßen und Wohnhöfen ein. So konnte ganz ohne ideologischen Hintergrund allein durch die Straßenprofile, durch die Zuordnung zum ÖPNV, durch die Anordnung der Garagen usw., eine Zielgruppe gefunden werden.
Planer sollten den Mut haben, Initiatoren bei innovativen Projekten zu unterstützen. Dies wird aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Baubranche immer wichtiger: Der mittelständische Bauträger tut sich immer schwerer in Zeiten des Abschlusses städtebaulicher Verträge und einer Umorganisation im Bankenbereich (Banken treten immer stärker auch als Investoren auf). Der Prozess zwischen Baurechtschaffung und Nutzung wird immer mehr kurzgeschlossen.
Der Städtebauliche Vertrag als Finanzierungsinstrument der Kommunen ( in München die sogenannte Sozialgerechte Bodennutzung) erfordert den Dialog. An die Stelle der dialoglosen Obrigkeitsplanung tritt nun die notwendige Dialogplanung.
Innovation
Der Innovationspreis für ökologisches Bauen wurde 1996 von der Zeitschrift "lmmobilienmanager" an das Unternehmen INSTAG AG verliehen. Sie wurde ausgezeichnet für ein Bauvorhaben in Freiburg, dessen Genehmigungsvoraussetzung die Reduzierung des Energieverbrauchs auf unter 65 KW pro Jahr war.
Politik und Verwaltung müssen den Mut haben, Rahmenbedingungen zu setzen, die zum Nachdenken zwingen. Darauf kann die Wirtschaft reagieren und den vermeintlichen Nachteil in einen Vorteil wie hier durch die Auszeichnung mit einem Innovationspreis umwandeln.
Prozess
In Zeiten der "Obrigkeitsplanung" gab der Gemeinsame der Verwaltung Anweisungen, und die Verwaltung war an die Gemeinderatsbeschlüsse gebunden. So mussten Investoren letztlich wider besseren Wissens diese beschlossenen Planungskonzepte zur Grundlage ihrer Bauaktivitäten machen. Von der Obrigkeitsplanung muss Abschied genommen werden.
Der städtebauliche Vertrag bedingt, dass neue Wege beschritten werden können und müssen. Im Zuge der Umsetzung der Sozialgerechten Bodennutzung, die die Landeshauptstadt München eingeführt hat, muss zwischen dem Investor und der Stadt ein Vertrag geschlossen werden. Dies ist nur möglich, wenn eine Reihe von Gesprächen geführt werden, nicht nur über Planinhalte, sondern in hohem Maße über ökologische, juristische, technische, wirtschaftliche und organisatorische Fragen. Die Planung der Messestadt Riem lief noch nicht in dieser Dialogform ab. Probleme, die sich später einstellten, wurden deshalb nicht früh genug erkannt (Beispiel: Parkraumkonzept).
Um die gegebenen Chancen nutzen zu können, müssen sich Verwaltung, Politik und Investoren mental neuorientieren.
Im Gegensatz zu Deutschland ist in Holland BauteamOrganisation eine Selbstverständlichkeit. Am Anfang wird ein virtuelles Produkt definiert in Form von Machbarkeitsstudien. Man berücksichtigt also nicht nur die planerischgrafische Dimension, sondern legt das Projekt vernetzt an:
- Technik, Architektur, Städtebau werden berücksichtigt,
- die Konsequenzen im wirtschaftlichen Bereich werden aufgezeigt und dokumentiert, Varianten gerechnet,
- die rechtlichen Rahmenbedingungen (öffentlichrechtlich, zivilrechtlich, steuerrechtlich) werden ausgelotet.
Der Planungsprozess selbst, Planung Organisation Kontrolle Durchführung, ist in der Folge regressiv angelegt (vgl. Abb. S. 16). Das heißt, ausgehend vom Ziel müssen die Schritte und Rahmenbedingungen für Durchführung, Organisation, Planung festgelegt werden.
Gerade Autofreies Wohnen" ist ein sehr komplexes Thema, was folglich nur in einer Dialogplanung erfolgreich umgesetzt werden kann. Dabei ist es wichtig, die rechtliche und wirtschaftliche Seite von Anfang an mit einzubeziehen. Es ist nicht möglich, am Anfang nur die städtebauliche und architektonische Seite zu betrachten. Von Anfang an muß auch auf das Marketingkonzept großer Wert gelegt werden - dieses wird häufig erst aufgestellt, wenn das Produkt fertig ist. Ein autofreier Stadtteil ist aber ein integrierendes Konzept, eigentlich ein Marketingkonzept an sich, bei dem die ganze geistige Grundhaltung stimmig sein muß. Das heißt, die Voraussetzungen für die Realisierung des virtuellen Produkts "autofreie Stadt" müssen qualifiziert definiert werden in
- städtebaulich - architektonischer - technischer
- wirtschaftlicher
- öffentlich-rechtlicher, zivilrechtlicher und steuerrechtlicher
- soziologischer, politischer
- ökologischer
- organisatorischer
Hinsicht.
Die klassische Planungsphase mit ihren zahlreichen Entwicklungsschleifen wird dann durch einen Prozeß abgelöst, der auf qualifizierten, vernetzten Überlegungen aufbauend dazu führt, die Entwicklungsschleifen zu vermeiden. Das ist outputorientierte Planung mit Projektmanagementmethoden und Controlling.
Innovative Planung, also auch Planung autofreier oder -reduzierter Stadtquartiere, kann nur funktionieren, indem man regressiv denkt.
Erforderlich dazu sind
- Umdenken in der Wirtschaft und Umdenken der Bauverwaltung und der Politik in Richtung zielorientierter, d.h. outputorientierter kooperativer Planung
- Planen mit Benchmarks
Benchmarks können dabei Kennziffern, also quantitative Größen, wie auch qualitative Größen sein.
Zu den qualitativen Größen gehören z.B. Prozeßsteuerungsmethoden (also Projektmanagement, Projektentwicklung und Projektsteuerung). Zu den quantitativen Größen gehören Kennziffern wie z.B.
- ökologische Ausgleichsflächen pro qm BGF
- Straßenflächen pro qm BGF
- Flächen ruhenden Verkehrs pro qm BGF
- etc. etc.
Klassische anonyme Wettbewerbe kranken daran, daß die am Planungsprozeß Beteiligten ebenso wie die letztlich entscheidenden Politiker zu wenig "Stellgrößen" haben, an denen sie die "Richtigkeit" bzw. die "Fehlerhaftigkeit' einer Planung erkennen können.
Zusammenfassung
Schwierige innovative Projekte, zu denen zweifelsfrei autofreies Wohnen gehört, können besser und erfolgreicher gesteuert werden, wenn man sich dessen bewußt ist, daß (vgl. Abbildung S. 17) Projekte in generellen
- städtebaulich/architektonisch/ technischen
- wirtschaftlichen
- öffentlich-rechtlichen, zivilrechtlichen und steuerrechtlichen
Bedingungen zu realisieren sind.
Projektbezogen müssen die konkreten Rahmenbedingungen innerhalb der generellen Rahmenbedingungen definiert werden. So definierte, komplizierte Projekte sind nur mehr im Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Investor zu realisieren. Grundlage für diesen Dialog ist qualitativ hochstehendes Projektmanagement. Unabdingbare Voraussetzung für den Dialog ist die Dokumentation. Diese erfolgt sinnvollerweise in Machbarkeitsstudien. Das gesamte Projektteam orientiert sich in seinem Dialog und in der Planungs- und Realisierungsphase an den in der Machbarkeitsstudie definierten Zielen. Wird so vorgegangen, können die beispielsweise in der neuen Messestadt Riem zu Tage getretenen Probleme bereits im Stadium der Projektdefinition vermieden werden.
Grundlagen der rechtlichen Gestaltung autofreier Projekte (von Christian Epp)
Von Anfang an konzentrierte sich die Diskussion der rechtlichen Gestaltung der Projekte autofreien Wohnens auf die Frage, wie ein möglichst umfassender, dauerhaft bindender Autoverzicht in einer sogenannten Autoverzichtsklausel rechtsverbindlich vereinbart werden kann. Die Autoverzichtsklausel, von Professor Derleder aus Bremen entwickelt, geht im Regelfall davon aus, dass alle Bewohner im Projekt autofreien Wohnens kein eigenes Auto haben (vgl. Kasten). Eine Autoanschaffung ist im Ausnahmefall möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass die autofreie Lebensführung durch die besonderen individuellen Lebensumstände einer Wohnpartei zu nicht zumutbaren Härten führen würde. Wenn dies nicht der Fall ist, kann ein eigenes Auto nur angeschafft werden, wenn der Wohnraum im Projekt autofreien Wohnens aufgegeben wird. Diese Rechtsgestaltung war die Konsequenz eines Projektverständnisses, das "Wohnen ohne eigenes Auto" vor allem mit dem Verzicht auf das eigene Auto gleichsetzt. In der engagierten Debatte der letzten Jahre, die sich insbesondere an der Analyse des Fehlschlagens des Projektes Bremen Hollerland entzündete, hat sich das Selbstverständnis der Projekte autofreien Wohnens deutlich erweitert. Allgemein lässt sich sagen, dass an die Stelle der Autofreiheit als "Wert an sich" (2) die Vorteile aus der autofreien Lebensführung in das Zentrum der Projektkonzeption getreten sind: So ist nach der aktuellen Definition "Wohnen ohne eigenes Auto" eine Wohnform, die sich speziell an Haushalte ohne Auto richtet mit dem Ziel, die mit dem autofreien Wohnen verbundenen Vorteile für die Bewohner in größtmöglichem Maße erfahrbar zu machen (3).
Eingrenzung der Vorteile
Eine nähere Bestimmung dieser Vorteile aus der autofreien Lebensführung ist nicht ganz unproblematisch. Eine Auswertung der in den Selbstdarstellungen und Veröffentlichungen der Projekte geäußerten Wünsche ergibt ein weites und häufig auch in sich widersprüchliches Bild. Welche Aspekte für eine bestimmte Partei autofreien Wohnens besonders attraktiv sind, hängt nämlich vor allem von deren individuellen Motivationen ab, in ein Projekt autofreien Wohnens und nicht in eine vergleichbare konventionelle Wohnung zu ziehen. So verstehen manche Menschen ihren Einzug in das Projekt autofreien Wohnens unter anderem als Demonstration einer umweltpolitischen Überzeugung. Nicht unbedingt identische Erwartungen haben Menschen, die sich aus vorwiegend pragmatischen Gründen für das Projekt entscheiden, weil sie in ihren derzeitigen Lebensumständen kein eigenes Auto brauchen. Trotz diesem weiten Motivationsspektrum lassen sich einige Vorteile nennen, die von praktisch allen potentiell Interessierten gewünscht werden, insbesondere auch von dem wichtigen Interessiertenkreis der jungen Familien mit Kindern (4).
Diese Vorteile sind
- autofreie Wohnqualität durch Rückdrängen oder völligen Ausschluss des ruhenden und fließenden Kraftfahrzeugverkehrs im Wohnbezirk,
- finanzielle Vorteile durch verringerten Stellplatz und Straßenbau,
- Identität als eigene Wohnform.
Verzichtklausel nach Derleder für MietwohnungenDer Mieter (Die Mieter) verpflichten sich, zur Sicherung der ökologischen und urbanen Qualität der Siedlung und ihrer Umgebung ein Kraftfahrzeug (Automobil, Motorrad, Motorroller) weder zu halten noch zu nutzen (ev. privat zu nutzen) und für ein entsprechendes kraftfahrzeugfreies Leben seiner Mitbewohner zu sorgen. Diese Verpflichtung ist ein wesentlicher Vertragsinhalt und kann im Weg einer Unterlassungsklage nach § 555 BGB eingeklagt werden. Die Benutzung von Taxis und Mietwagen (auch organisiertes Carsharing) zu Einzelfahrten ist nicht vertragswidrig. Das Wirksamwerden des Mietvertrages wird ferner davon abhängig gemacht, dass der Mieter eine entsprechende schriftliche Verpflichtungserklärung der sonstigen vorgesehenen Bewohner der Mietwohnung spätestens bis zur Gebrauchsüberlassung beibringt. Soweit der Mieter während der Dauer des Mietverhältnisses Anspruch auf Zustimmung des Vermieters auf Aufnahme weiterer Personen in die Wohnung hat, ist diese Zustimmung ebenfalls nur nach Beibringung entsprechender Verpflichtungserklärungen zu erteilen. Der Mieter verpflichtet sich ferner, während der Dauer des Mietverhältnisses keine Personen, zu deren Aufnahme in die Mietwohnung er keiner Zustimmung des Vermieters bedarf, ohne entsprechende schriftliche Verpflichtungserklärung aufzunehmen und diese dann dem Vermieter auszuhändigen. Eine Verpflichtung, sich der Haltung und Nutzung eines Kraftfahrzeuges zu enthalten, besteht jedoch für einen Bewohner der Wohnung nicht, soweit der Verzicht auf die Nutzung auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des öffentlichen Personennahverkehrs und der Bildung von Fahrgemeinschaften für ihn unzumutbar wird. (1) |
Veränderte Anforderungen an die rechtliche Gestaltung
Das veränderte Projektverständnis bringt auch veränderte Anforderungen an die rechtliche Gestaltung mit sich. Eine Aufgabe der Rechtskonzeption ist es nun, die Vorteile für den einzelnen Haushalt in möglichst großem Umfang erfahrbar zu machen. Aus diesem neuen Aufgabenverständnis lassen sich zwei wichtige Prämissen für die rechtliche Gestaltung ableiten. Angesichts der komplexen und oft divergierenden Interessenlage kann es keine "optimale Rechtsgestaltung" geben, die den Anforderungen jedes Interessierten in vollem Maße entspricht. Statt dessen müssen verschiedene Konzeptionen angeboten werden, aus denen jedes einzelne Projekt die für sich attraktivste Lösung auswählt. Die andere ableitbare Prämisse ist, daß eine umfassende Vermittlung von Vorteilen nur durch die abgestimmte Verwendung verschiedenster Rechtsinstrumente des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts entsprochen werden kann.
Autoverzichtsklausel als Sicherung des Verursachergrundsatzes
Eine nähere Betrachtung verdient die Frage, wie weit die Autoverzichtsklausel in diesem veränderten Projektverständnis noch eine Daseinsberechtigung hat. Ebenso wie die Autofreiheit nicht mehr als Wert an sich verstanden wird, läßt sich grundsätzlich sagen, daß auch die Sicherung der dauerhaft autofreien Lebensführung keinen Wert an sich mehr darstellt, sondern einer differenzierten Betrachtung bedarf. Eine Existenzberechtigung der Autoverzichtsklausel in ihrer bisherigen Forrn besteht auf jeden Fall in vorwiegend politisch motivierten Projekten, in denen das Bewußtsein um den autofreien Status aller Wohnparteien als Teil der autofreien Wohnqualität empfunden wird. In allen anderen Fällen bemißt sich die Notwendigkeit dieser Klausel an der Frage, wie weit sie erforderlich ist, um die Ursächlichkeit zwischen Autoverzicht und den vermittelten Vorteilen zu sichern. Dieses sogenannte Verursacherprinzip als Kriterium einzuführen, leuchtet unmittelbar ein. Denn jede autofreie Wohnpartei soll ja grundsätzlich nur mit den Vorteilen belohnt werden, die sie durch ihre autofreie Lebensführung selbst mit verursacht. Die Prämisse des Verursacherprinzips steht einer nachträglichen Autoanschaffung aber nicht grundsätzlich entgegen - soweit mit dieser Entscheidung dann auch die vermittelten Vorteile versiegen. Theoretisch erscheinen Projektkonzeptionen denkbar, bei denen jede teilnehmende Wohnpartei jederzeit die Wahl hat: Sie kann den autofreien Lebensstil wählen und die damit verbundenen Vorteile in Anspruch nehmen. Sie kann sich aber auch nachträglich ein eigenes Auto anschaffen und damit die autofreien Vorteile aufgeben. Die Weiterentwicklung dieses Konzeptes zeigt wiederum ein vergleichender Blick auf die Autoverzichtsklausel in ihrer bisherigen Form. Auch dort ist die nachträgliche Autoanschaffung vorgesehen, aber unter gänzlich anderen Vorzeichen. Sie wird als die unvermeidbare Folge einer Notlage gesehen, durch die die Wohnpartei gezwungen wird, sich ein eigenes Auto anzuschaffen. Entsprechend ist diese Anschaffung - soweit das Vorliegen der Notsituation nachgewiesen wird - mit keinen weiteren Nachteilen verbunden.
Wien "Floridsdorf": Verbindliche Erklärung der Mieterinnen und Mieter (Auszug)Die Mieter bestätigen ausdrücklich, zustimmend zur Kenntnis genommen zu haben, daß die gegenständliche Wohnhausanlage als "Autofreie Mustersiedlung" konzipiert ist und daher nur von solchen Personen bewohnt werden soll, die kein eigenes Kraftfahrzeug besitzen. Dies ist auch eine ausdrückliche Auflage der Wohnungsbauförderung (...) Durch den von jedem einzelnen Mieter für sich und seine Mitbewohner abzugebenden Verzicht auf ein eigenes Kraftfahrzeug soll nicht nur eine, dem gegenwärtigen Umweltbewußtsein entsprechende Wohnqualität geschaffen werden, sondern bewirkt der damit verbundene Entfall der Kosten für die Errichtung von Kfz-Pflichtstellplätzen (abgesehen von lediglich 15 Stellplätzen zum Abstellen der Kraftfahrzeuge für das vorgesehene Car-Sharing-Projekt) auch eine Reduktion der von den Mietern zu entrichtenden Finanzierungsbeiträge und Mieten (...) Sofern sich die Lebensumstände des Mieters oder eines Mitbewohners zukünftig so gravierend ändern sollten. daß die Anschaffung bzw. ständige Nutzung eines eigenen Kfz zurAn- und Abfahrt zum gegenständlichen Mietobjekt, ungeachtet der vorgenannten Verpflichtungserklärung und der auch vom Mieter als wünschenswerte Vertragsgrundlage anerkannten Autofreiheit der Siedlung, objektiv gerechtfertigt ist, ist der Mieter verpflichtet, nicht nur diese geänderten Umstände. bzw. die objektive Notwendigkeit dieser KfzAnschaffung dem Vermieter prompt nachzuweisen, sondern auch das dauerhafte Vorhandensein eines Ein- oder Abstellplatzes für dieses Kfz im Umkreis von maximal 500 m zum gegenständlichen Mietobjekt (analog zu §36 ff Wiener Garagengesetz). Sofern der Mieter letzteren Nachweis nicht liefern sollte, ist der Vermieter berechtigt, ihm selbst einen derartigen Ein- bzw Abstellplatz bereitzustellen bzw. zuzuweisen, wobei dieser Ein- und Abstellplatz sodann als zwingendes Zubehör zur vertragsgegenständlichen Wohnung gilt und sich die Wohnungsmiete ab diesem Zeitpunkt um den jeweils ortsüblichen Mietzins für diesen Zubehör-Stellplatz erhöht. |
Schwierigkeiten in der Umsetzung
In der praktischen Umsetzung unterliegt das Modell der ständigen Wahlmöglichkeit aber handfesten Schwierigkeiten. Eine wirklich freie Wahl zwischen autofreiem Vorteil und eigenem Auto ist nur möglich, wenn ein bestimmter Vorteil an jede einzelne Wohnpartei individuell vermittelt und auch wieder entzogen werden kann. Solche individuellen Vorteile sind vor allem die wegfallenden Kosten für die Stellplatzerrichtung. Mit der Entscheidung für das eigene Auto gehen in diesem Fall die finanziellen Vorteile für den einzelnen verloren, da die Kosten für die Errichtung bzw. Nutzung eines Stellplatzes nachträglich fällig werden, so wie es im angeführten Beispiel aus Wien nachvollzogen wurde (siehe Kasten).
Die Stellplatzreduzierung ist aber nur ein kleiner Teil der im Projekt autofreien Wohnens möglichen Vorteile. Es ist ja gerade die Idee der autofreien Projekte, durch Zusammenziehen mehrerer autoloser Wohnparteien zusätzliche Annehmlichkeiten zu schaffen. In größeren Projekten kann insbesondere eine autofreie Wohnatmosphäre geschaffen werden, die mit größerer Ruhe, mit Kinderfreundlichkeit und sozialer Sicherheit und zugleich weniger versiegelter Fläche eine deutlich höhere Lebensqualität schafft. Mobilitätsalternativen wie Car-Sharing und der Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr können besonders komfortabel gestaltet werden. Nun verlangt das Verursacherprinzip, dass die autofreie Wohnpartei, die nachträglich ein eigenes Auto anschafft, diese erhöhte Lebensqualität verliert. Dies ist praktisch aber nicht möglich, ohne die Wohnqualität zugleich dem gesamten Projekt zu entziehen. Daher kann das Verursacherprinzip nur vollständig gewahrt werden, wenn mit der Autoanschaffung der Auszug aus dem Projekt verbunden ist und damit die Entscheidung, die autofreien Vorteile aufzugeben zugleich beinhaltet, den Wohnraum selber aufzugeben. Dies ist genau die Wahlmöglichkeit, die in der Autoverzichtsklausel in ihrer ursprünglichen Ausformung enthalten ist. Denn dort besteht ja jederzeit die Möglichkeit, den Wohnraum aufzugeben und dann ein eigenes Auto anzuschaffen.
Hamburg: Verpflichtungserklärung gegenüber der Baubehörde zur Verringerung des Stellplatzbedarfs (Auszug)Vorbemerkung: Diese Verpflichtungserklärung dient der Glaubhaftmachung, dass für die benannte bauliche Anlage/Wohneinheit der Stellplatzbedarf auf absehbare Zeit erheblich verringert wird. ( ... )
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Auszug ist nicht attraktiv
Der Auszug erscheint als attraktive Wahlmöglichkeit vor allem bei Wohnraum, der ohnehin nur auf beschränkte Zeit bezogen wird, wie z.B. Studentenwohnheime. Ansonsten ist die Entscheidung, eine Mietwohnung, insbesondere aber eine Eigentumswohnung bzw. ein Eigenheim in einem autofreien Projekt zu beziehen, eher eine langfristige. Dies gilt in besonderem Maße für die Gruppe der Familien mit Kindern, für die ein Auszug als Wahlmöglichkeit kaum in Frage kommt. Gerade in dieser Nachfragegruppe lässt sich aber auch gleichzeitig eine gewisse Vorsicht feststellen, sich langfristig auf ein Leben ohne eigenes Auto festzulegen; ein Umstand, der sich beispielsweise im Projekt Bremen-Hollerland deutlich gezeigt hat. (5) Auch wenn die heutigen Lebensumstände die autofreie Lebensführung der Familie relativ problemlos erlauben, besteht häufig Unsicherheit, ob dies in Zukunft ebenfalls der Fall sein wird. Die in der Autoverzichtsklausel enthaltene Wahlfreiheit besteht damit zumindest für einen bestimmten Personenkreis nur eingeschränkt (6).
Durchbrechung des Verursacherprinzips
Die Option, nachträglich ein eigenes Auto ohne Umzug anschaffen zu können, ist nur möglich, wenn das Verursacherprinzip durchbrochen wird und auch Menschen die kollektiven Vorteile autofreien Wohnens in Anspruch nehmen dürfen, die sich ursprünglich für die autofreie Lebensform entscheiden, sich dann doch ein eigenes Auto anschaffen. Ausnahmen vom Verursacherprinzip lassen sich bis zu bestimmten Grenzen rechtfertigen. Denn eine Wohnpartei zieht nur in das Projekt autofreien Wohnens, wenn ein ernsthafter Wille besteht, einen autofreien Lebensstil zu leben. Dies ergibt sich bereits aus der rechtlichen, städtebaulichen und vor allem auch sozialen Struktur dieser Wohnform, die den Besitz eines eigenen Autos weder einfach noch komfortabel macht. Die Unannehmlichkeiten beginnen mit der eingeschränkten Anfahrbarkeit des eigenen Grundstücks und enden mit einer gewissen sozialen Stigmatisierung, als "Umfaller" in einem Projekt autofreien Wohnens zu leben. Diese Nachteile können auch die verbliebenen kollektiven Vorteile in der Regel nicht aufwiegen. Die nachträgliche Autoanschaffung erscheint also in den wenigsten Fällen ein Ergebnis der kühlen Berechnung, sondern scheint vielmehr Reaktion auf veränderte, zum Einzugszeitpunkt nicht vorhersehbare Entwicklungen in der persönlichen Lebenssituation zu sein. Daher erscheint es grundsätzlich vertretbar, den Verursachergrundsatz für solche Fälle über die Unzumutbarkeitsfalle" im ursprünglichen Sinne hinaus zu erweitern.
Grenzen für die Erweiterung
Dennoch darf der Verursachergrundsatz nicht unbegrenzt aufgeweicht werden. Vielmehr muss die Autofreiheit im Projekt auch mittelfristig der Regelfall und der Autobesitz die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich bereits aus dem Selbstverständnis des Ansatzes, dass Konzeptionen, die lediglich eine gewisse Reduzierung des Kraftfahrzeugbestandes bezwecken, nicht zu den Projekten autofreien Wohnens gezählt werden. (7) Auch die Rechtssystematik fordert Grenzen für die Durchbrechung des Verursacherprinzips bzw. der Möglichkeit der nachträglichen Anschaffung von privaten Kraftfahrzeugen. So ist in vielen Bundesländern eine Verringerung der notwendigen Stellplatzzahl der Landesbauordnungen nur möglich, wenn die objektiven Umstände der Projekte autofreien Wohnens einen dauerhaft minimierten KfzBestand vermuten lassen. Wie im angeführten Beispiel müssen dementsprechend grundsätzlich alle Bewohnerinnen und Bewohner eine verbindliche Autoverzichtsklausel unterschreiben.
Eine weitere wichtige Einschränkung für die Aufweichung des Verursacherprinzips ergibt sich aus der Beeinträchtigung der anderen, weiterhin autofreien Wohnparteien. Die Grenze des Zumutbaren kann dann als überschritten gelten, wenn alle Parteien, also auch die weiterhin autofreien, in ihren Vorteilen durch den nachträglichen Autobesitz einzelner oder mehrerer spürbar beeinträchtigt werden.
Die zumutbare Grenze einer Aufweichung des Verursachergrundsatzes ist aber sicherlich auch dann erreicht, wenn sich durch die nachträglich angeschafften Kraftfahrzeuge und den dadurch erzeugten Verkehr die Wohnqualität der übrigen, autofreien Parteien oder auch der Bewohnerinnen und Bewohner in den umliegenden Gebieten spürbar verschlechtert.
Insgesamt muss die Durchbrechung des Verursacherprinzips damit ultima ratio bleiben: Abgesehen von dem erzwungenen Auszug bestehen keine Möglichkeiten, die autofreien Vorteile der autoanschaffenden Partei zu entziehen.
Ergebnis
Die angestellten Überlegungen haben gezeigt, dass die Autoverzichtsklausel weiterhin ein sinnvoller Bestandteil der rechtlichen Gestaltung für viele Projekttypen darstellt. Angesichts des veränderten Projektverständnisses muss sie aber ergänzt werden durch Instrumente des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, die den Wohnparteien die Vorteile der autofreien Lebensführung vermitteln. Für viele Interessierte stellt die in der Autoverzichtsklausel enthaltene Wahlmöglichkeit, d.h. der mit der Autoanschaffung verbundene Auszug, keine akzeptable Alternative dar. In bestimmten Projekttypen sollte daher die Autoverzichtsklausel ersetzt werden durch eine rechtliche Gestaltung, die bei einer nachträglichen Autoanschaffung die vermittelten Vorteile wieder entzieht, soweit ein individueller Entzug möglich ist. Für diese damit erfolgte Durchbrechung des Verursacherprinzips sollten aber enge Grenzen gesetzt werden, die die autofreie Konzeption des Projektes im Kern unangetastet lassen. Jede Projektinitiative muss für sich entscheiden, welche Rechtskonzeption ihrer Interessenlage am meisten entspricht.
1) Vgl Derleder, Peter. Zur Zulässigkeit privatrechtlicher Bindungen der Mieter und Erwerber von Häusern und Wohnungen in einer neu geplanten Wohnsiedlung. Gutachten im Auftrag des Senators für Umweltschutz und Stadtentwicklung des Landes Bremen. Bremen 1992
2) Vgl. u. a. GlotzRichter, Michael: Der rosa Elefant des autofreien Wohnens. Bremen 1996 (unveröffentlicht)
3) Dittrich, Andrea; Klewe Heinz: Autofreies Wohnen Anforderungen, Projekte, Erfahrungen. In: Monatsbericht des Forschungsbereichs Verkehr, Institut für Landes und Stadtentwicklungsforschung (Hrsg.), Mail Juni 1996
4) Der Bevölkerungskreis der jungen Familien zeigt ein großes Interesse für Projekte autofreien Wohnens, obwohl der Anteil dieser Gruppe an den autofreien Haushalten sehr gering ist (etwa 2% der heute autofreien Haushalte sind Erwerbspersonen mit Kindern). Dies erklärt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Vorteile der Projekte autofreien Wohnens mit ihrer autofreien, kinderfreundlichen Wohnqualität für junge Familien besonders attraktiv sind. Zudem ist gerade in dieser Generation das umweltpolitische Bewusstsein und der Wunsch nach Veränderung der Wohnsituation groß.
5) Vgl Wohnen ohne eigenes Auto in Bremen, Der fünfte Stadtmusikant ein Ökoschwein? In: ILSRundbrief "Autoarme Stadtquartiere" Nr. 5, S. 2 ff
6) Eine leider nicht überall praktikable Lösung zeigt das Projekt Hamburg "Saarlandstraße" auf Ein Teil der Wohnungen kann mit konventionell errichtetem Wohnraum desselben Bauträgers getauscht werden.
7) Zu diesen stellplatzfreien oder autoarmen Wohngebieten vgl. Aydin, Can: Tönnes, Martin: Autofreie und autoreduzierte Stadtquartiere in Berlin, Dortmund 1995, S.3f
Nachdruck aus: ILSRundbrief Nr. 9 1997
Alternativen: Das Parkraumkonzept der Messestadt Riem (von Theo Bauernschmidt)
Auf dem ehemaligen Flughafengelände München-Riem wird ein neuer Stadtteil mit 16.000 Einwohnern und bis zu 13.000 Arbeitsplätzen geplant und zum Teil bereits realisiert. Nachdem es sich bei diesem Areal um eine der letzten größeren Flächenreserven der Landeshauptstadt München handelt, waren sich die verantwortlichen Planer und Politiker einig, einen möglichst qualitätsvollen und zukunftsweisenden Stadtteil zu schaffen. Der Schwerpunkt wurde daher auf einen ausgewogenen qualitätsvollen Städtebau und dabei insbesondere auf die Berücksichtigung ökologischer Belange gelegt. Aufgrund der hohen Bebauungsdichte (z. B. in den Wohngebieten mit einer GFZ von durchschnittlich 1,2) sollte auch für das Thema "Parken" ein Ansatz gesucht werden, der Wege zur Problemlösung negativer Begleiterscheinungen der konventionellen Stellplatzversorgung, insbesondere in den geplanten Wohnbereichen aufzeigt.
Zielsetzungen
Dementsprechend stehen unter Umweltgesichtspunkten die Zielsetzungen
- Verringerung der Immissionen des Individualverkehrs, wie Lärm und Abgase,
- Minimierung der durch verkehrliche Anlagen versiegelten Flächen und
- Angebot konstruktiver Anreize zur Verringerung der Fahrtenhäufigkeit, bis hin zum Verzicht auf das Auto
im Vordergrund. Damit soll zugleich eine bessere Wohnqualität erreicht werden.
Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten galt es, eine möglichst kostengünstige und anpassungsfähige Organisation der Stellplatzanlagen zu erreichen, die Stellplatzauslastung zu optimieren, der Forderung nach Kostenwahrheit und Kostentransparenz in der Stellplatzversorgung einen Schritt näher zu kommen und die Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Stellplatzangeboten zu ermöglichen.
Die Messestadt Riem verfügt, neben einer sehr guten Individualverkehrserschließung mit zwei Autobahnanschlüssen, über eine hervorragende Versorgung durch den öffentlichen Verkehr mit zwei UBahnhaltestellen und mit mehreren Busverbindungen zu den nächstgelegenen S-Bahn-Stationen.
Durch die geplante unmittelbare Nachbarschaft von Gewerbe und Wohngebieten, deren gemischt genutzten Übergangsbereichen sowie die angestrebte hohe städtebauliche Dichte wird die Messestadt Riem ein Stadtteil der kurzen Wege werden und bietet damit die Voraussetzung für eine Minimierung des motorisierten Binnenverkehrs.
Die nördlich der Wohngebiete gelegenen attraktiven Nutzungen des neuen Messegeländes, eines modernen Einkaufszentrums sowie der umliegenden gewerblichen und kulturellen Einrichtungen machen es notwendig, in den Wohnbereichen Vorkehrungen gegen eine Überflutung durch Fremdparker zu treffen. Eine ganztägige Bewirtschaftung der Stellplätze im öffentlichen Straßenraum wird daher erforderlich. Für eine derartige Maßnahme haben die neuen Wohngebiete der Messestadt Riem sehr gute Voraussetzungen. Üblicher Weise führen Stellplatzverringerungen und Stellplatzbewirtschaftung in einem Wohnquartier zu Verdrängungseffekten auf freie Straßenstellplätze in benachbarten Wohngebieten, mit all den negativen Begleiterscheinungen des Parksuchverkehrs und Verparkens von Straßen. Durch die Insellage der Messestadt umgeben von breiten Grünzügen zu den Nachbarstadtteilen hin sind diese Effekte nicht zu befürchten.
Das räumliche Konzept
Das Wohngebiet wird über die Haupterschließung der OstWestAchse und nordsüdgerichtete Stichstraßen, deren Querschnitte auf das Notwendigste begrenzt werden, erschlossen. Im öffentlichen Straßenraum sind die Stellplätze zu bewirtschaften und gegenüber konventionellen Lösungen zahlenmäßig zu beschränken. Die Anfahrbarkeit der einzelnen Gebäude, insbesondere zur Anlieferung sperriger Güter für Handwerker und Behinderte, wird gewährleistet.
In unmittelbarer Nähe der Ost-West-Achse werden drei Hochgaragen, die bei Bedarf erweiterbar sind, errichtet. Südlich der Achse C werden parallel zu den Wohngebäuden längsgerichtete Tiefgaragen so angeordnet, dass die Fußwegelänge zwischen Wohngebäude und Tiefgarage max. 80 m beträgt. Die Tiefgarageneinfahrten befinden sich ausschließlich in der Achse C, so dass in den südlich davon gelegenen Wohnbereichen oberirdisch nur Anlieferungsverkehr zu den Wohngebäuden stattfinden wird. Dieser nun zu realisierenden Konzeption wurden anfangs in der öffentlichen Diskussion zwei weitere Alternativen gegenübergestellt:
- die konventionelle Lösung und
- eine äußerst ökologische und ökonomische Lösung.
Letztere beinhaltete die Situierung aller Stellplätze in Form von Hochgaragen im Norden der Wohngebiete, entlang der OstWestAchse. Eine solche Planungsvorstellung erhitzte die Gemüter ungemein und führte zu heftiger Kritik wegen "Verteufelung des Autos" aber auch zu Lob ob des ,fortschrittlichen Gedankens". Letztlich wurde diese Lösung aufgrund der erheblichen Wegelängen von bis zu 500 m zwischen Wohnung und Stellplatz nicht mehr weiterverfolgt.
Das inhaltliche Konzept
Für den ersten Bauabschnitt (2600 Wohneinheiten und 2700 Arbeitsplätze) wird folgende Stellplatzversorgung zugrunde gelegt:
Einkaufszentrum:
1 Stellplatz pro 20 qm Verkaufsfläche
Gewerbliche Nutzung im 600 m Einzugsbereich des UBahnhofes:
Ablöse von 40 % der pflichtigen Stellplätze, d. h. es werden nur 60% der laut Bayerischer Bauordnung notwendigen Stellplätze gebaut.
Wohnnutzung:
Zur Versorgung der Wohngebiete wäre üblicherweise pro Wohneinheit ein Stellplatz nachzuweisen. In unserer Planung werden allerdings nur
75% der pflichtigen Stellplätze bereitgestellt. Die fehlenden 25% werden ausgesetzt. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt der Bedarf auf eine höhere Stellplatzversorgungsquote ergeben, könnte dieser durch Erweiterung der Hochgaragen im Norden befriedigt werden.
Mit Hilfe der Poolbildung bzw. Wechselnutzung von Stellplätzen kann, insbesondere in Kombination mit dem Gewerbe, eine bessere Auslastung der Stellplatzanlage und damit eine Kapazitätserweiterung von 10 30 % erreicht werden. Das bedeutet, dass z. B. bei einer Anlage mit 100 Stellplätzen 110 130 vermietet werden können. Wegen dieses Einsparungseffektes nimmt diese Betriebsform einen hohen Stellenwert im Parkraumkonzept ein.
Das organisatorische und finanzielle Konzept
Durch die strikte Koppelung von Wohnung und Stellplatz in den Bauordnungen der Länder ist es derzeit gängige Praxis, daß ein Bauherr Wohngebäude und Stellplätze in eigener Regie errichtet. Er kann wegen des bestehenden, relativ niedrigen Preisniveaus für Stellplatzmieten (ca. 60 bis 120 DM pro Monat im Münchner Stadtgebiet) nicht die tatsächliche, marktgerechte Miete verlangen. Diese Stellplatzmiete würde für München-Riem bei 250 bis 300 DM pro Stellplatz und Monat liegen. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen wird daher in der Regel über die Wohnungsmiete finanziert.
In ungerechter Weise trifft dann diese Belastung denjenigen Wohnungsmieter, der kein Auto besitzt. Um hier zu einer gerechteren Lösung mit für die einzelnen Nutzungen getrennten, reellen Mietzuweisungen zu kommen, soll eine organisatorische und finanzielle Abkoppelung der Stellplatzanlagen von den Wohngebäuden durchgesetzt werden. Dies spricht weiterhin für einen eigenen Garagenbetreiber.
Verfahrensstand
Das autofreie Wohnen
Die Zielvorgabe des Stadtrats, mit 200 WE, konnte, u. a. wegen der fehlenden Akzeptanz durch die Bauträger und der kurzen Planungszeit, nicht erreicht werden.
Abschlussdiskussion
Wir haben gesehen, daß dieses Thema sehr viele Facetten hat. Es hat sich herausgestellt, daß autofreies Wohnen möglich ist. Es gibt auch viele Hindernisse, darunter ist die Steilplatzverordnung vielleicht eines der schlimmsten.
Der Wandel von Bedürfnissen muß zu einem Umdenken bei der Verwaltung und bei Bauträgern führen. Man muß zu einer entsprechenden Kooperationsform finden, sowohl in der Zusammenarbeit als auch im zusammen Wohnen.
Die Referate waren alle sehr anregend, sodaß wir jetzt in die Diskussion einsteigen können. Ich bitte um Wortmeldung.
Ich möchte den Referenten danken, auch dass sie überzogen haben, denn die Vorträge waren sehr interessant. Ich möchte mich ganz besonders noch bei Herrn Kyrein bedanken. Sie haben mir ein bisschen Mut gemacht, als Sie gesagt haben, die Stadt sei dialogbereit. Meine Erfahrung mit der Stadt war bisher, dass sie zwar den Dialog sucht, aber dann doch selbst entscheidet. So ist es zumindest bei der Bürgerbeteiligung z.B. bei der Theresienhöhe. Also, ich versuche das, ein bisschen mehr wie sie zu sehen.
Mein Frage wäre einfach ganz speziell an die hier versammelten Bauträger und Leute, die sonst professionell mit Bau zu tun haben: Was muß aus Ihrer Sicht passieren, damit so etwas zustande kommen kann, wie wir es gerade gesehen haben, etwas, das in anderes Städten der Bundesrepublik längst im Gange ist? Daß also die Stadt die Rahmenbedingungen schafft, unter denen es für einen Investor interessant wird, ein solches innovatives Projekt zu machen. Denn ganz so weit sind wir in München noch nicht. Wo sehen Sie den Ansatz, daß vielleicht wir als Initiative von engagierten Laien und Sie als Bauträger die Stadt ein bißchen in die Zange nehmen?
Dann noch ein Punkt, der an die Frage anknüpft, warum nur 40 Wohnungen und nicht 200? Bei dem städtebaulichen Wettbewerb zur Theresienhöhe ist im Eckdatenbeschluß des Stadtrats geschrieben worden "Wohnen ohne Auto soll berücksichtigt werden". Zehn renommierte Architekturbüros haben daran teilgenommen. Es gab ein Preisgericht, in dem 80 kompetente Leute saßen. Kein einziger dieser Wettbewerbsteilnehmer hat überhaupt wahrgenommen, daß das darinsteht. Keiner hat es berücksichtigt und keiner von diesen 80 Preisrichtern hat das beanstandet, nach meinem Wissen. Die einzigen, die es beanstandet haben, waren die an den Arbeitskreisen beteiligten Bürger, die hinterher noch etwas dazu sagen durften, aber das ist dann auch untergegangen.
Richtet sich die Frage an jemanden Bestimmtes?
An Herrn Kyrein, aber auch an andere Bauträger, wo sehen Sie Kooperationsmöglichkeiten, wie kann es weiter gehen.
Wenn ich höre, "in München sind wir noch nicht so weit" - ich wohne natürlich jetzt nicht in München - aber wenn wir über München reden, dann reden wir bei uns immer über den Kolumbusplatz. Darüber habe ich heute nichts gehört. Das scheint gar nicht als autofreies Projekt im Bewußtsein gelandet zu sein.
Ich will mir nicht einbilden, daß ich die Entstehungsgeschichte genau kenne, aber es ist ja zumindest so, daß es einen sehr pragmatischen Hintergrund hat und daß es auch geklappt hat mit der Umsetzung. Also das wäre eine Frage an die Leute, die den Kolumbusplatz kennen, vielleicht auch an die Stadt: Sie haben doch da schon etwas gemacht. Es ist ja nicht so, als ob das jetzt auf einmal etwas ganz Neues ist. Was wirklich in der Fachwissenschaft läuft, (da kenne ich mich aus) ist ein großes Projekt des Bundesministeriums, um zu erforschen, wie es den Leuten geht, die jetzt in diesem Haus wohnen. Deswegen wundert es mich, daß das hier so gar nicht auftaucht.
Ich erkläre das mal so gut ich kann. Dies ist natürlich kein Projekt, das ich bis ins Detail verfolgt habe. Ich weiß nur, daß die Anzahl der Wohneinheiten 40 ist, es ist ein kleines Projekt.
Frau Gleisner hat sich gemeldet. Sie ist von der GEWOFAG (Gemeinnützige Wohnungsfürsorge Aktiengesellschaft München; Anm. d.Red.).
Man hat 42 Wohneinheiten nahegelegt, auf das Auto zu verzichten, als Pilotprojekt. Warum man aber über den Kolumbusplatz nicht endgültig etwas sagen kann und das betrifft sehr viele autofreie Projekte, ist einfach, weil sie noch sehrjung sind. Der Kolumbusplatz ist Ende letzten Jahres bezogen worden. Man kann einfach noch keine großen Vorhersagen machen, wie er sich entwickeln wird.
Ja, aber Sie können doch sagen, warum sie das gemacht haben.
Es ist ein Pilotprojekt gewesen, weil sich das in diesem Fall angeboten hat und auch notwendig erschienen ist. Es ist zum einen von der Tiefgarage her problematisch gewesen, d.h. die innerstädtische, sehr beengte Lage hat es erfordert, die Stellplatzanzahl zu reduzieren. Zum anderen liegt die U-Bahn direkt vor der Nase. Das war eigentlich auch ein Punkt. Dann ist es so gewesen, daß man mit einem Carsharing-Unternehmen über die Stadt eine Regelung gefunden hat. Für die Mieter wurde es interessant gemacht, indem man gesagt hat, wenn ihr euch verpflichtet "autofrei" zu wohnen, dann übernehmen wir die Aufnahmegebühr und die Kaution, die für die Carsharing-Teilnahme zu entrichten sind.
Es bleibt noch die Frage zu beantworten, wie Sie die Kooperation zwischen den Bauträgern und der Verwaltung sehen, wie man die Stadt in die Mangel nehmen könnte? Würden Sie als Bauträger noch einmal so planen?
Das ist jetzt meine persönliche Meinung. Ich würde nicht versuchen, jemanden in die Mangel zu nehmen, sondern ich würde versuchen, ein Konzept zu finden, das sich vielleicht auch etwas besser anläßt. Das Problem ist, denke ich, die relativ lange Planungsphase. Das ist vorher in den Vorträgen auch angedeutet worden. Anfangs interessierte Leute können, bis es zur Realisierung kommt, nicht gehalten werden. Zum anderen ist es so, daß von interessierten Leuten nicht unbedingt 100% dann dieses Interesse auch in die Tat umsetzen.
Als Idee könnte ich mir vorstellen, von vornherein Partner zu suchen, die in die Richtung autofrei bereits denken und auch so leben wollen, z.B Vereine, die sich mit bestimmten Lebensformen beschäftigen. Die sagen, wir haben klare Vorstellungen, wir wollen ökologisch wohnen, wir wollen autofrei wohnen. Dann hat man einen Ansprechpartner, mit dem man ein solches Konzept vielleicht auch durchsetzen kann. Also das wäre so ein Weg, den ich für erfolgversprechender halten würde.
Es geht also vielmehr darum, daß Kooperationsformen entwickelt werden sollten, die eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten ermöglichen.
Diese Frage ging auch an Herrn Kyrein.
Ich würde gern einen Satz zitieren, den ich neulich gelesen habe und der mich begeistert hat: 1915 ist ein Statement nachgewiesen worden "Das Auto wird keine Chance gegen die Bahn haben" und jetzt kommt die Begründung: "Da nicht jederAutofahrer sich einen Chauffeur leisten kann". Das war allen Ernstes ein nahezu wissenschaftliches Statement und das gibt mir auch die Plattform für meine Antwort. Ich denke, das was erforderlich ist, ist Ideologien abzubauen und daß wir sachlich darüber reden. Ich denke die Stadt München hat natürlich ganz besondere Schwierigkeiten gehabt, weil eine Dame aus Kassel gekommen ist und man von vornherein gesagt hat, das kann "nix Gscheit's" sein, wenn man von Kassel kommt. Sie kennen die Beschimpfungen. Auf dieser Basis kann man nicht miteinander diskutieren.
Ich habe eine ganz konkrete Frage zu dem Problem am Kolumbusplatz. Ist die Möglichkeit derAufrüstung von Stellplätzen gegeben?
In diesem Fall gibt es keine Aufrüstung, sondern es wäre eine Ablösesumme zu bezahlen gewesen, die gestundet wurde.
Also ein rein finanzieller Ausgleich? Steht das im Grundbuch drin?
Ja.
Ich weiß nicht, ob die Frage nach dem Wettbewerb auf der Theresienhöhe untergegangen ist.
Die Frage, warum also das Preisgericht entschieden hat, daß alle Preisträger, obwohl sie das "Wohnen ohne Auto" nicht berücksichtigt haben, einen Preis bekommen haben, ist offen. In Wien-Floridsdorf war ein zentraler Bestandteil des Bauträgerwettbewerbs, daß Vorschläge für die Realisierung des "Wohnens ohne Auto" eingebracht wurden. Bei diesem Bauträgerwettbewerb waren an den Gewinn die Wohnbaufördermittel gekoppelt. Es wurde den Bauträgern angeboten, daß man das Konzept mit ihnen dann gemeinsam weiterentwikkelt. Im ersten Schritt wurde geprüft, ob die Bauträger, die sich bewerben, tatsächlich glaubhaftes Interesse haben, das umzusetzen.
Ich kann da wenig dazu sagen, weil ich nicht im Preisgericht war. Der Sachverhalt ist mir leider nicht be kannt.
Wer ist die zuständige Stelle, um die Fragen zu beantworten?
Frau Will.
Ich kenne auch Tausende von Wettbewerben, wo es heißt, man soll mal überlegen und dies oder das berücksichtigen. ... es muß vorher ein Investor da sein, der sagt, "ich will das machen". Vor einem Wettbewerb muß eigentlich klar sein, daß es eine Realisierungschance gibt. Es muß mehr sein, als nur eine vage Idee, die man mal hineinschreibt.
Wir waren an diesem Wettbewerb in Münster beteiligt. Wir haben uns erst ein Wohnungsunternehmen gesucht, was sagte: "Ja, wir lassen uns darauf ein, wir wissen, was das heißt, wir können euch nachweisen, daß wir die und die Anzahl von Wohnungen bauen können". Also, auch da die Prüfung, ob die überhaupt in der Realisierung mitziehen können und dann erst haben wir diesen Wettbewerb gestartet.
Ja, aber in Wien ist es so gelaufen, daß der Bauträger vorher nicht bekannt war. Da wurde unter den Bauträgem ein Wettbewerb ausgeschrieben.
Von Anfang an Dialog. Wenn wir ein kooperatives Verfahren machen, ist es entscheidend, daß es Kenngrößen gibt. Das ist der Punkt. Denn wie kann ich über ein Projekt urteilen, auch im Kooperativverfahren, wenn ich gar nicht weiß, was die Kennziffer ist und zwar die objektive. Da geht es nicht um Geschmack, sondern da geht es um nachvollziehbare Größen, Kubikmeter, Quadratmeter, DM. Das ist das, was nachvollziehbar ist. Dann wird es erfolgreich. Dann kriegen sie auch solche komplizierte Strukturen hin. Diese werden in einer Woche ganz konzentriert erarbeitet mit Architekten, mit der öffentlichen Hand, mit Investoren. Dieses Dreiergespann, das muß funktionieren. Dann läuft das auch.
Ich möchte noch etwas zu dem Prozeß sagen, den wir mit der Stadt München durchgemacht haben.
Wir haben zwar das Beispiel Kolumbusplatz, aber das ist nicht übertragbar auf Riem, wie sich im Gespräch mit der Stadt herausstellte. Die GEWOFAG ist ein städtisches Wohnungsunternehmen und erstellt Mietwohnungen.
In Riem sind völlig andere Eigentumsverhältnisse. Der eine Bauherr ist eine Genossenschaft und der andere eine Eigentümergemeinschaft. Das Problem war: wie schaffen wir dafür Rechtsgrundlagen? Die Stadt hat uns immer gesagt, wir sind überfordert, wir haben soviel zu tun, wir haben höchstens 2 Minuten am Tag dafür Zeit. Als Initiative verfügen wir nur über geringe Eigenmittel. Zwarwerden wir von der Stadt München unterstützt, können uns davon aber keinen Anwalt leisten, der sich mit diesen Rechtsfragen auseinandersetzt. Das war unser Hauptproblem. Wir haben dann der Stadtverwaltung die rechtlichen Regelungen aus Hamburg, beispielhaft für die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse, vorgeschlagen und ihr dazu die Unterlagen gegeben. Die Stadt München überprüfte diese und so nach und nach ist man sich Schritt für Schritt nähergekommen. Also, das war ein absolutes"low budget" - Verfahren.
Wir haben durch unsere Briefe und Aktionen nach und nach Interessenten gefunden, die bereit waren, in ihrer Freizeit etwas dafür dieses Projekt zu tun und es zu realisieren. Es ist ihnen hoch anzurechnen, daß es geklappt hat, genauso der WOGENO.
Ihr hättet den Kolumbusplatz nutzen können,. um die Idee an die Offentlichkeit zu bringen. Sozusagen Klima schaffen. Dafür bietet sich der Kolumbusplatz an, auch wenn er noch nicht alt ist. Es ist ein kleines Vorzeigeobjekt. Ich habe das Gefühl, daß es hier in München fast nicht bekannt ist, obwohl es sich in Dortmund schon sehr herumgesprochen hat.
Ich möchte eine andere Betrachtungsweise einbringen. Die Innovation dieser Form des neuen Wohnens erfordert auch Innovationen in der Nahversorgung. Zum einen bedeutet dies vielleicht eine Renaissance der "Tante-Emma-Läden", zum anderen völlig neue Chancen für den Handel. Wären neue Strukturen im Handelsbereich nötig oder bedeutet es neue Chancen etwa für das Internet-Kaufhaus oder Bringservices. Wir müßten das doch irgendwie verknüpfen und dann sind wir bei dem dankenswerterweise von Herrn Kyrein erwähnten Marketingkonzept, bei dem es nicht nur um die Vermarktung des eigenen Gebäudes, des Wohnens, sondern um die Vermarktung der Lebensform geht, die damit zusammenhängt. Es würde mich interessieren, wie Sie das sehen, die Erfahrungen und Erwartungen.
Ich bin skeptisch, muß ich Ihnen sagen. Betrachten wir die Konzentration des Einzelhandels, die Tendenz zu Jactory outlet", das wird nicht zu bremsen sein, dann gibt es eine Reorganisation der Innenstädte, davon bin ich überzeugt. Was ist die Konsepuenz? Es ist ja erstaunlich, wenn man in Haidhausen oder in anderen Städten Deutschlands durch ähnliche Quartiere geht, wie aus der soziologischen Struktur heraus, von Griechen, Türken und wen es da alles gibt, wieder "Tante-Emma-Läden" aufgemacht werden. Da kommt eine Subkultur von unten herauf, das würde Hoffnung machen. Aber ich weiß nicht, ob man das steuern kann, Herr Wickenhäuser. Ich bin davon überzeugt, daß man Rahmenbedingungen schaffen muß und daß auch intelligente Gebäude entstehen müssen, die solche Folgenutzungen möglich machen.
Ich war neulich bei einer Werkbunddiskussion, da ging es um die Frage, was ist Urbanität. Plötzlich kristallisierte sich heraus, ich sage es verkürzt, die Möglichkeit der Nachfolgenutzung. Ich habe es mir nicht verkneifen können, zu sagen, wie sie diese Möglichkeit im Verhältnis zur Erhaltungssatzung sehen. Denn die Erhaltungssatzung hat die Dynamik der Städte kaputt gemacht. Denken sie beispielsweise an das Lehel. Man hat eine Glocke darüber gemacht und gesagt, es soll alles so bleiben.
Ich habe zwei Punkte. Mich verwundert sehr, daß "Wohnen ohne Auto" als völlig neue Wohnform dargestellt wird. Wir haben in Altbaugebieten überall selbstverständlich schon "Wohnen ohne Auto" in jeder Menge. Wir haben Fahrgemeinschaften und privat organisiertes Carsharing, zwangsweise, weil keine Parkplätze mehr vorhanden sind. Diese sind auch schon bewirtschaftet, zwangsweise. Das funktioniert sehr gut. Dann gibt es einen riesigen Markt von Leuten, die gerne eine größere Wohnung haben wollen, insbesonders wenn sie Kinder kriegen und im Altbau mit 2 1/2 Zimmern nicht mehr zurechtkommen.
Meine Frage an Herrn Kyrein: Sie haben vorher gesagt, man muß einen Dialog initiieren, es gebe eine Markt und die Bauträger würden ja durchaus soetwas machen. Ich frage mich aber doch, wenn es den Markt gibt, ich die SZ aufschlage und es wirklich null Angebot gibt, dann haben die Bauträger wirklich etwas versäumt oder sie kennen ihren eigenen Markt nicht mehr. Was müssen wir machen, damit wir dahin kommen, daß dieser Markt entsteht, daß er klar, transparent daliegt und die Bauträger anfangen, darauf zu reagieren und etwas zu machen?
Sie sehen ja wie viele Bauträger Pleite gehen, weil sie Wohnungen stanzen, Einfamilienhäuser stanzen und sich am Markt überhaupt nicht orientieren. Das ist heute nur nicht mehr so spektakulär, weil die Banken dazu übergegangen sind, die pleite- gegangenen Bauträger in Objektgesellschaften aufzufangen. Die Konsequenz ist, daß unsere Einkommensteuern nicht in den Bund fließen, sondern durch Wertberichtigungen in den Banken verbraten werden. Das ist der Hintergrund der ganzen Gaudi. Ich bin da völlig Ihrer Meinung. Ich setze mich damit der Kritik aus, auch bei Münchner Kollegen. Die sagen, jetzt ist er völlig übergeschnappt, Warum wählt der eigentlich nicht Grün. Als ob das damit etwas zu tun hätte. Marketing heißt, eine geistige Grundhaltung zu haben. Man muß oben beginnen, nicht nur in der öffentlichen Verwaltung, vielmehr und mindestens genauso in der privatwirtschaftlichen Orientierung.
Wie kann man das machen? Das war ja eigentlich die Frage.
Wir müssen uns die dirigistischen Maßnahmen abgewöhnen, das entwickelt sich. "best practice", einer zeigt, daß es geht, er hat am besten verkauft und die anderen werden das alle kopieren.
Ich denke, diese Erfahrungen haben wirjetzt. Es wurde vom Kolumbusplatz und von Riem gesprochen. Das Spannende an diesen zwei Modellen ist die rechtliche Seite.
Am Kolumbusplatz hat man es sich einfach gemacht und gesagt, das lassen wir mal geschehen. Die Stadt hat sich zwar zu einem mutigen Modell bekannt, aber gesagt, wir legen im Grunde gar nichts fest. Es gibt einfach die Parkplätze nicht und dafür soll die GEWOFAG einfach Mieter suchen, die kein Auto haben.
Ich will Ihnen nochmal sagen, was nicht hätte passieren dürfen, was natürlich bei innovativen Konzepten passieren muß. Es gibt natürlich das Gespött derer, die gegen solche Konzepte sind, ideologisch dagegen sein müssen, weil sie die Idee selber nicht hatten. Die haben keinen konstruktiven Vorschlag gemacht und sagen, du siehst ja, völlig unsinnig.
Ich kann mich an einen Freitagnachmittag im Planungsreferat erinnern, wo von der Stadt aus der Dialog gesucht wurde. Der Stadt ist kein Vorwurf zu machen . Da saßen die Gremien der Münchner Bauträgerschaft, jeder war geschmeichelt, daß er eingeladen wurde. 99% der Münchner Bauträger saßen da und haben sich darin gefallen, die Köpfe zusammenzustecken. Nicht einer war vorbereitet. Die Tagesordnung war 14 tagelang bekannt. Soetwas ist ärgerlich. Man ist hingegangen, war geschmeichelt, hat gesagt, laß die mal im eigenen Saft schmoren, aber Ideen haben wir auch keine. Das ist meine Kritik.
Als Angestellter der Landeshauptstadt München möchte ich auf einige Punkte nochmals eingehen.
Das eine ist: der Kolumbusplatz war ein Sonderfall. Hier war die Zwangssituation, daß man Stellplätze nicht bauen konnte, sonst hätte man das ganze Bauvorhaben begraben können.
Das zweite ist die analoge Betrachtung zur Innenstadtbebauung, Innenstadtentwicklung und Stellplatzablösung. Diese Konstruktion, läßt sich nicht so einfach auf die Theresienhöhe oder auf Neubaugebiete, wie die Messestadt Riem übertragen.
Daß sie das rechtlich ganz übertragen sollten, wollte ich ja nicht sagen, aber mit dem Kolumbusplatz ist der Anfang gemacht.
Drittens, Frau Liebl hat zurecht gesagt, daß die einzelnen Bauherren, WOGENO und "Autofreies Wohnen", sich sehr selbständig bewegen mußten, sehr viele Sachen entwickeln mußten. Das ist in der Tat so. Die Baugenehmigungsbehörde agiert ja nur, wenn ein Baugesuch oder ein Antrag vorliegt, d.h. alle diese rechtlichen Ausarbeitungen, bezüglich des Bauordnungsrechts müssen von dem Antragsteller vorbereitet sein. Ich hoffe, daß es auch ein bißchen ihre Anerkennung findet, daß ich meine Juristen gebeten habe, wenigstens hierfür die Baugenehmigungsbehörde ein Verfahren um Festlegungen auszuarbeiten. Auch natürlich in Zusammenarbeit mit Ihnen, sie haben uns da sehr viel geholfen. Das war also das Signal, daß man es in der Tat so machen kann. Es ist erforderlich, daß man sich in der Planung mit diesen Dingen befaßt, insbesondere in der freien Wirtschaft.
Dazu drei Punkte: Erstens Kostenwahrheit, das kann ich nur unterstützen. Wenn ein Stellplatz 35.000 DM bis 40.000 DM kostet, gibt das eine monatliche Belastung von 300 DM pro Stellplatz und Wohnung. In München, bei einer mittleren Einkommenssequenz ist das eine ganze Menge, ein Frage des Habens und Nichthabens.
Das Interessante in München ist, daß es eine große Nachfrage gibt. Die ist nachgewiesen. Die WOGENO könnte in Riem mehr Leute mit dem autofreien Modell bedienen, als auf diesem Grundstück möglich ist. Die WOGENO hat sich für mehr Wohneinheiten beworben, als sie dann letztendlich bekommen hat. Es gibt darüberhinaus eine große Nachfrage von Menschen, die so wohnen wollen.
Ich glaube, es ist ein großes Problem in München, daß hier die Parzellierungen zu groß sind und eher auf Bauträger zugeschnitten sind als auf kleinere Initiativen. Schwabing wurde auch nicht von Bauträgern errichtet, sondern es gab z.B. einen Handwerksmeister, der 25 Wohnungen gebaut hat. Dies ist in den neuen Gebieten eigentlich nicht möglich und dadurch wird ein großes Nachfragepotential nicht bedient. Aus Städten wie Freiburg, Tübingen oder Hamburg können wir das lernen.
Ein Ansatz, der auch in München zu überlegen wäre. Wie kann man erreichen, daß nicht nur die Einkommensgrenze des Einzelnen als das allein Wichtige geprüft wird, sondern auch, was eine Stadt insgesamt davon hat im Vergleich zu dem, was sie dafür aufwenden muß.
Ich habe den Eindruck, es gibt das Henne-Ei-Problem. Die Stadt sagt: "Bringen Sie mal erst die Investoren und dann kann man weitermachen" und die Investoren sagen: "Die Rahmenbedingungen müssen erst einmal klar sein". Auf diese Weise kann man sich die Bälle zuschieben. Ein Grund, warum wir diese Veranstaltung gemacht haben, ist aus dieser Blockade irgendwie herauszukommen. Darum noch mal die Frage, ganz speziell an die Bauträger, Investoren und Planer, wie können die verschiedenen Rollenspieler besser miteinander zurechtkommen. Wer muß mit wem einen Dialog beginnen und was kann man ganz konkret machen?
Es haben sich Stadträte angemeldet, aber ich sehe keinen. Der Dialog funktioniert nur, wenn alle mit am Tisch sitzen.
Zweitens: Das ist ein Marketingthema. Es ist notwendig, daß man die Investoren vorher informiert, ihnen sagt, wir wollen die Probleme gemeinsam lösen ohne daß bereits ein Grundstückrisiko besteht. Die haben nämlich fürchterliche Angst, daß die Stadt 10 Jahre lang den Bebauungsplan durchknetet. Man muß also den Dialog abstrakt fördern und konkret umsetzen.
In der Situation, in der Wir uns jetzt befinden, als kleine Gruppe, die ein solches Projekt durchziehen will, haben wir das Gefühl, daß wir das Rad nochmal erfinden. Auch wenn wir nachher zu einer ganz anderen Lösung gekommen sind als in Hamburg, wäre es sinnvoll, daß besserer Kontakt zwischen den einzelnen Verwaltungen und auch den einzelnen Initiativen wäre. Denn der Lernprozeß in München hat letztendlich, so habe ich den Eindruck, erst angefangen, als der Stadtrat gesagt hat, wir müssen so etwas machen und als dann zwei konkrete Projekte kamen. Vieles war aus meiner Sicht sehr problematisch, weil alles in der Verwaltung mehr oder weniger am Bauträger ausgerichtet war und man erst eine ganze Zeit brauchte, um zu verstehen, daß wir (als Bauherrengemeinschaft, Anm. d. Red.) eine ganz andere Struktur und auch ganz andere Probleme haben.
Die Bedeutung der finanziellen Förderung ist unumstritten. Allerdings muß es bei einer finanziellen Förderung des Landes immer eine Gegenfinanzierung von der Stadt geben. Auch wenn es dann "nur" 40.000 DM sind. Die Kommunen müssen das erst einmal aufbringen. Die haben ja nicht so viel Geld.
Aber so etwas könnte man natürlich in Bayern auch über bestehende Netze versuchen, z.B. von Vereinen wie VCD, Fahrradclub und privaten Initiativen. Von der Landesregierung in Bayern erwarte ich erstmal nichts.
So pauschal können Sie das nicht sagen. (Rest unverständlich)
Ist jemand von der obersten Baubehörde da?
Ich bin dort Azubi. Man denkt sehr ernsthaft über den Wohnungsbau nach. Auch z.B. darüber, wie man mit dem Auto in neuen Siedlungen umgeht. Wir sind uns im Klaren, daß die baurechtlichen Bedingungen vielen Dingen entgegenstehen. Aber ich sehe, daß man auch gerade in der Ausbildung im Referendariat oft ganz neue Lösungen andenkt, z.B. wie die Autos aus den Zentren der Wohngebiete herauszubringen sind. Damit wird es dem einzelnen Autobesitzer schwieriger gemacht und der Umdenkungsprozess angestoßen. Ich möchte auch auf die Broschüren hinweisen, die die Oberste Baubehörde zum Thema Siedlungsmodelle herausbringt, wo u.a. solche Punkte angesprochen werden.
Wird die Bayerische Bauordnung novelliert oder ist das schon geschehen?
Ja, ab 1.1.98
Es freut mich, daß sich wenigstens ein Vertreter der Obersten Baubehörde zu erkennen gegeben hat. Wir hätten Sie ja gerne mit auf dem Podium gehabt, aber sie wollten nicht. Sie bzw. das Landesrecht, stellen für uns ein verzwicktes Problem dar. Die Stadt München, Frau Thalgott, hat gesagt: "da gibt es Gesetze, denen wir unterworfen sind, so leid es uns tut und so sehr ich persönlich dafür wäre". Ich hoffe, daß dieses heute begonnene Gespräch weitergeht und sich über kurz oder lang in einer Änderung der Gesetzeslage niederschlägt.
Ich möchte auch nochmal sagen, warum wir heute hier zusammensitzen. Wir wollen mit Ihnen als Bauträger und Investoren, mit der Verwaltung und auch mit den heute abwesenden Politikern, ins Gespräch kommen.
Ich wollte etwas sagen zu der Wortmeldung, daß die Münchner Verwaltung sich mit Hamburg kurzschließen soll. Ich habe ein bißchen Angst davor, weil die Hamburger Verwaltung bis heute noch nicht heraus hat, warum dieses autofreie Projekt läuft. Die Verwaltung hat uns soviel Probleme gemacht, daß sie die Interessierten darin bestärkten, sich zusammenzutun und sich selbst darum zu kümmern. Sie haben uns jahrelang alle Steine in den Weg geräumt, die man nur in den Weg räumen kann. Ein sehr großer aktiver Verein hat sich entwickelt, der die ganze Projektentwicklung gemacht hat, einschließlich derAuswahl und Zusammenstellung der Investoren. Tatsächlich sind wirjetzt sehr professionell in der Projektentwicklung. Das war ein jahrelanger Weg, aber wir können jetzt das nächste Projekt entschieden leichter über die Bühne bringen.
In Freiburg war immer ganz positiv, daß wir wirklich sehr viele öffentliche Gelder hatten. Wir haben immer Leute gehabt, die viel Erfahrung und Gefühl haben, wie man so etwas loseist, aber selbst uns ist innerhalb der zwei Jahre auch die Puste ausgegangen. Wir haben nicht die Erfahrung gehabt, daß man an den Widerständen der Verwaltung wächst. Wir haben schlagkräftige Argumente gehabt, es war sehr ermüdend und auch sehr motivationsverschleppend. Ich glaube, daß bei uns die meiste Kraft in das Suchen von Antworten geflossen ist. Uns wurde immer wieder gesagt, wie geht das und das und das und wir hatten keine Antwort. An diesen Stellen sind wir immer wieder gescheitert.
Ich bin froh, daß die Politik in dieser letzten Runde angesprochen worden ist. Ich bin Wienerin und kenne die Münchner Politiker nicht, aber offensichtlich sind sie tatsächlich nicht hier.
Ich habe ein bisschen den Eindruck, daß in München die Verwaltung darunter leidet, daß dieses Gesamtprojekt so komplex ist und dass sie damit eingedeckt sind. Aber umso mehr die Frage, warum wird dieser politische Beschluss von der Politik nicht durch Ressourcen unterstützt. Was kann man machen, um das zu verbessern.
In Wien war es so, daß der initiierende Stadtrat in die Projektgruppe, die in der Verwaltung entstanden ist, um diese ganze Problematik zu bearbeiten, immer eingebunden war und auch im Bauträgerwettbewerb in der Jury gesessen ist. Er hat sozusagen immer "live" mitbekommen, weiche Probleme sich bei der Umsetzung ergeben. Vielleicht wäre das ein Ansatzpunkt, da etwas zu verändern.
Man darf nicht nur einen Schuldigen finden. Das wird ja immer gerne gemacht, wenn man nicht weiter weiß und in erster Linie trifft es die Verwaltung. Wir haben hier eindeutigerweise vier Partizipierende in diesem ganzen Verfahren. Das ist einmal natürlich die Verwaltung, zweitens die Politik, drittens Initiativen und viertens die freie Wirtschaft. Alle vier Kräfte müssen ihreAufgaben definieren, auch in diesem Punkt. Den werden sie woanders auch definiert haben müssen, was machen wir dort, wie weit gehen wir, was muß die Verwaltung leisten und wie sieht das politische Programm aus. Wenn diese vier in der Arbeitsteilung stimmig sind, dann kann man von einem erfolgreichen Angehen eines Projektes sprechen.
Ich danke allen Referenten und Diskutanten. Aus dem Beitrag von Frau Preuß-Bayer habe ich geschlossen, daß Sie einen Bedarf haben, weiter zu diskutieren und zwar auch mit Politikern. Ich würde anregen, mit den Politikern ins Gespräch zu kommen und uns nochmal zu solch einer Veranstaltung zu treffen. Sind Sie damit einverstanden? (Beifall)
Referenten
Andrea Dittrich, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS), Forschungsbereich Verkehr
Königswall 38 - 40
44137 Dortmund
Karsten Wagner, Wohnwarft Genossenschaft e.G.
Colonaden 43
20354 Hamburg
Rolf Kyrein, Kyrein GbR, Vermögensverwaltung
Hörwarthstr. 37
80804 München
Christian Epp, Rechtsreferendar
Krozinger Str. 52
79114 Freiburg i. Br.
Theo Bauernschmidt, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, HA 11
Blumenstr. 28b
80331 München
Literatur
Autofreies/autoarmes Wohnen - Interesse, Akzeptanz und Voraussetzungen
- Ergebnisse einer Repräsentativerhebung - Januar/Februar 1995
Rundbrief "Autoarme Stadtquartiere"
Impressum
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Gunhild Preuß-Bayer, Lydia Wagner, Anja Zimmermann |
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EDTZ Belichtungsservice, Ottobrunn |
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