Nachhaltige Stadtentwicklung: das Beispiel Wohnen ohne Auto

(aus 'Münchner Stadtgespräche Nr.17 / Juli 2000', die Zeitschrift des Umweltinstitut München e.V.)

Auf der Konferenz "StadtVisionen", die im letzten Herbst in Freiburg stattfand, wurde ausführlich das Thema "nachhaltige Stadtentwicklung" diskutiert. Dabei wurden zehn Thesen entwickelt, die eine nachhaltige Stadt kennzeichnen.

In den meisten modernen Städten stellt das Thema "Verkehr" eines der zentralen Probleme der Stadtplanung dar. Eine Entwicklung mit dem Prädikat "Nachhaltigkeit" muss daher darauf abzielen, hier Lösungen zu finden, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Ansprüchen gerecht werden. Damit lautet eine der zentralen Forderungen an eine nachhaltige Stadtentwicklung: "Die nachhaltige Stadt setzt zukunftsfähige Mobilitäts- und Verkehrskonzepte um".

Es gibt verschiedenste Möglichkeiten stadt- und umweltverträglicher Entwicklungsmaßnahmen im Verkehrsbereich, wie z.B. Förderung des Umweltverbundes (Fuß, Fahrrad, ÖPNV), Mobilitätsberatung und –information, verkehrsreduzierende bzw. –vermeidende Planung ("Stadt der kurzen Wege") und schließlich auch die Förderung von Wohnen ohne Auto.

Wohnen ohne Auto bedeutet nicht, Stellplätze an den Rand der Siedlungen zu verlegen und nur im Inneren den motorisierten Individualverkehr auszuschließen. Ziel ist es vielmehr, durch eine entsprechende Infrastruktur den Bedarf an privaten PKW- Fahrten auf ein Minimum zu reduzieren. Die BewohnerInnen können so auf persönlichen Autobesitz verzichten und nutzen bei tatsächlichem Bedarf Gemeinschaftsautos (Car-Sharing) oder Taxis. Parkplätze werden deshalb nur mehr in sehr geringem Umfang gebraucht.

Ein solches Konzept bietet zunächst viele Vorteile für die BewohnerInnen: weniger Abgase und Lärm, geringeres Unfallrisiko, mehr Platz für Begegnungen und zum Spielen, Wiedergewinnung des öffentlichen Raumes sowie keine Kosten für Stellplatz und eigenes Auto (alternative Mobilitätsangebote rechnen sich dadurch leicht).

Aber auch AnwohnerInnen und Umwelt profitieren durch diese Verkehrsreduzierung: Lärm und Abgase nehmen ab (was den Klimaschutz fördert), es müssen weniger Straßen gebaut werden, das bedeutet weniger Flächenverbrauch, weniger Versiegelung, öffentliche Verkehrsmittel werden stärker nachgefragt und somit attraktiver.

Mittlerweile sind in verschiedenen europäischen und deutschen Städten autofreie Wohnprojekte realisiert worden:

  • In Bremen wurden bereits 1995 im Projekt "Grünenstraße" 23 autofreie Mietwohnungen bezogen.
  • In Amsterdam wurden 1998 im Stadtviertel "Westerpark" 600 autofreie Wohnungen fertiggestellt – je zur Hälfte Eigentums- und Mietwohnungen.
  • In Wien wurden bis Ende letzten Jahres im Stadtteil "Floridsdorf" 244 autofreie Mietwohnungen bezugsfertig.
  • In Hamburg werden im Projekt "Autofreies Wohnen an der Saarlandstraße" 210 Wohnungen errichtet; die ersten 63 Wohneinheiten wurden im Frühjahr bezogen.
  • In Freiburg wird auf dem "Vaubangelände" eine Kombinatiation von stellplatzfreiem und autofreiem Wohnen realisisiert; von mittlerweile etwa 280 bezogenen Wohnungen sind 130 autofrei.
  • In Edinburgh, Kassel und Münster sind autofreie Wohnprojekte derzeit im Bau bzw. kurz vor der Fertigstellung, in weiteren Städten wie Köln oder Berlin gibt es entsprechende, z.T. schon weit fortgeschrittenen Planungen.

Auch in München wurde die Idee des autofreien Wohnens aufgegriffen und umgesetzt:

  • Am "Kolumbusplatz" wurden 1996 42 autofreie Mietwohnungen erstellt, die allerdings nur von städtische Bediensteten bzw. Krankenhausangestellten bezogen werden können.
  • In der "Messestadt Riem" gibt es einige Projekte für Wohnen ohne Auto:
    • Eine Baugemeinschaft hat in "Eigenregie" – also ohne Bauträger – 14 autofreie Eigentumswohnungen errichtet, die seit Sommer letzten Jahres bezogen sind.
    • Die WOGENO erstellt 27 autofreie Genossenschaftswohnungen; diese sind im Rohbau fertig und können im Herbst bezogen werden.
    • Eine 2. Baugemeinschaft plant den Bau von ca. 10 weiteren autofreien Eigentumswohnungen.
    • Ein Bauträger erstellt in unmittelbarer Nachbarschaft Eigentumswohnungen im Passivhaus; eventuell wird auch hier autofreies Wohnen möglich sein.

Damit ist das Potenzial für autofreies Wohnen sicherlich bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Auch in den aktuellen städtischen Entwicklungsgebieten wie Theresienhöhe, Ackermannbogen und den zentralen Bahnflächen zwischen Hauptbahnhof und Pasing ist es erforderlich, autofreie Wohnquartiere zu fördern. Gerade vor dem Hintergrund der in München festgelegten Siedlungsstrategie "kompakt-urban-grün" sollte Wohnen ohne Auto als wichtiges Konzept einer stadtverträglichen Verkehrsentwicklung etabliert werden, denn: nachhaltige Stadtentwicklung ist nur in Verknüpfung mit einer nachhaltigen Mobilitätsentwicklung möglich.

Maria Ernst
www.wohnen-ohne-auto.de
Tel: 089/20 11 898, Fax: 089/20 15 313,

 

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